Brandenburg: Überstürzte Gerichtsfusionen
Thorsten Metzner
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Thorsten Metzner Für die Brandenburger werden die Wege länger und länger – zum Arzt, zum Supermarkt, zur Schule, zur Post, zum nächsten Theater. Nun soll auch noch jedes dritte Amtsgericht dicht machen. So will es das Kabinett – und neuerdings selbst die christdemokratische Justizministerin Beate Blechinger, die den Rotstift-Plänen zunächst noch skeptisch gegenüberstand. Richtig: Das für ein dünn besiedeltes Flächenland dichte Netz von derzeit 25 Amtsgerichten zu straffen, mag angesichts des dramatischen Bevölkerungsrückgangs und der immer knapperen Kassen sinnvoll sein. Dafür sprechen nicht nur pekuniäre Gründe: Mini-Gerichte mit vielleicht nur vier Amtsrichtern sind auf Dauer der Qualität der Rechtssprechung nicht zuträglich – weil für Richter die Spezialisierung und der Erfahrungsaustausch untereinander nicht so gut möglich ist wie an größeren Gerichten. Aber überwiegt das alles wirklich die Nachteile? Da muss man Zweifel anmelden. Erstens: Da wird die voraussichtliche Schließung von Amtsgerichten in Städten wie Rathenow, Schwedt oder Eisenhüttenstadt angekündigt, obwohl bislang niemand seriös ausgerechnet hat, ob dadurch die Landeskasse auch nur einen Euro spart. Dabei geht es um psychologisch hochsensibles Terrain. Auch die Landesregierung kann kein Interesse haben, von Landflucht gebeutelte Städte – die man an anderer Stelle zu stützen versucht – weiter zu destabilisieren. Zweitens sind einige der Gerichtsgebäude erst mit Millionenaufwand saniert worden. Und ob sich je ein anderer Nutzer finden wird, steht angesichts der Krise in der Wirtschaft, auf dem Immobilienmarkt und weiterer Behördenschließungen völlig in den Sternen. Drittens sind in jenen Gerichten, die den Amtsrichter-Kollegen Asyl geben sollen, bislang gar nicht die Räumlichkeiten vorhanden – auch da drohen Kosten. Die Unklarheiten sind also, zumindest bisher, größer als der nachgewiesene Nutzen. Dass trotzdem schon Schließungspläne verkündet werden, schafft nur Unsicherheit. Das Vorgehen Blechingers und des Kabinetts ist unklug, der Plan ganz offensichtlich unausgegoren. Schlimmer noch: Wenn man den Gerichten, den Kommunen und den Bürgern solche Einschnitte zumutet, müssen sie durchdacht sein – und langfristig tragen. Aber für wie lange gilt, wenn es nach den Plänen à la Blechinger und Kabinett – Stand Herbst 2005 – in jedem der vierzehn Landkreise und in den vier kreisfreien Städten ein Amtsgericht geben soll? Schließlich ist spätestens für 2009 die längst überfällige neue Kreisreform geplant, bei der aus den jetzt vierzehn Landkreisen vier oder fünf werden? Es gilt nicht nur für Amtsgerichte: Brandenburg steht vor der Grundsatzfrage, wie stark es seine Behörden konzentriert. Wer übertreibt, forciert die Landflucht, die Verödung der Landstriche. Nötig ist ein klug durchdachtes, abgestimmtes Gesamtkonzept. Das lässt, wie die von Ministerpräsident Matthias Platzeck versprochene Regierungspolitik aus einem Guss, weiter auf sich warten.
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