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Geschlossen. Die Haasenburg-Heim sind vorerst außer Betrieb.

© dpa

Brandenburg: Ungelöste Probleme

Vor einem Jahr begann die Haasenburg-Debatte über Freiheitsentzug für Minderjährige. Am Ende ist sie noch nicht

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Potsdam - „Der Horror am Waldrand“ hieß die Geschichte über die Haasenburg-Jugendheime in Brandenburg, in der die Berliner „tageszeitung“ vor einem Jahr über Misshandlungsvorwürfe gegen die private Einrichtung berichtete. Seitdem ist viel passiert: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mitarbeiter und Jugendliche, die „taz“ musste auf Gerichtsbeschluss mehrere Aussagen ändern, die Autorin wurde von einem Medien-Magazin zur Lokaljournalistin des Jahres gekürt und die Heime wurden vom Land geschlossen.

Rund 1 000 Kinder und Jugendliche aus fast dem gesamten Bundesgebiet waren nach Angaben der Betreiber seit der Gründung vor mehr als zehn Jahren in den drei Haasenburg-Häusern bei Lübben und Beeskow untergebracht. Sie waren nicht freiwillig dort: Die Unterbringung mit der Möglichkeit freiheitsentziehender Maßnahmen wurde zuvor von Familiengerichten genehmigt, weil die Minderjährigen als Gefahr für sich selbst oder für andere galten und andere Jugendhilfemaßnahmen wie Wohngruppen oder Therapien erfolglos blieben. Grundlage ist der BGB-Paragraph 1631 b.

Als Alternativen bleiben in diesen Ausnahmefällen nach Aussage von Experten nur noch die Jugendpsychiatrie oder der Strafvollzug. Das Mädchen, dessen Geschichte die „taz“ erzählt, kam aus einer gewalttätigen Familie, wurde früh sexuell missbraucht, war in verschiedenen Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht, hat dann auf der Straße gelebt, Drogen genommen und sich prostituiert. Nach weiteren Jugendhilfemaßnahmen und Aufenthalten in der Psychiatrie kam sie in die Haasenburg – und erlebte die Zeit dort als harten Einschnitt. Später erstattet sie Anzeige. Ebenso wie ein junger Mann, der Erniedrigungen in der Haasenburg erlebt hat und über dessen Geschichte die PNN berichtet.

Drei Jahre zuvor war die Haasenburg ebenfalls Thema in überregionalen Medien: Die „Zeit“ hatte über drei Jugendliche berichtet, die in Berlin eine Frau zusammengeschlagen und schwer verletzt und auch weitere Überfälle verübt hatten. Alle drei hatten zum Teil seit der frühen Kindheit in Heimen gelebt und waren zu Gewalttätern geworden. „Heime wie die Haasenburg in Brandenburg weigern sich irgendwann, die Jungs noch aufzunehmen“, schreibt die Frau später über die Lebensgeschichten der Täter. Und: „Eine kaputte Kindheit ist kein Freifahrtschein für Mord und Totschlag.“

Brandenburgs Justizministerium teilt dann im Juli im Rechtsausschuss des Landtages mit, dass die Staatsanwaltschaft Cottbus aufgrund der Berichte in taz und PNN Ermittlungen führt und die Haasenburg-Heime durchsucht. Nach der Empörung über die beschriebenen Verhältnisse schaltet Brandenburgs Jugendministerium eine Hotline und setzt eine Untersuchungskommission ein. Anfang November legt die Kommission ihren Bericht vor und spricht von teils gravierenden Missständen, auch bei der Heimaufsicht.

Im Dezember entzieht das Landesjugendamt der Haasenburg unter Berufung auf den Bericht die Betriebserlaubnis, die letzten Jugendlichen verlassen kurz vor Weihnachten das Haus. Der Betreiber sei nicht bereit oder in der Lage, mögliche Gefahren für die untergebrachten Kinder und Jugendlichen abzuwenden, argumentiert das Ministerium. Eine Gefahr für ihr körperliches, geistiges oder seelisches Wohl könne deshalb nicht ausgeschlossen werden.

Der Betreiber klagt, doch im Eilverfahren bestätigt auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Mitte Mai die Schließung: Die bisherigen Erkenntnisse sprechen nach Auffassung der Richter dafür, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den Heimen gefährdet ist. Ob der Widerruf der Betriebserlaubnis tatsächlich berechtigt war, muss noch im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Brandenburg strebt nun auf Bundesebene eine Änderung der gesetzlichen Regelungen zur geschlossenen Unterbringung Minderjähriger an. Eine Fachtagung im Juli soll die Grundlagen dafür liefern. Beim Bund sieht man derzeit keinen akuten Bedarf für Gesetzesänderungen. Die Genehmigungspflicht für die Maßnahmen sei ein „bewährtes und notwendiges Instrument“, heißt es im Bundesjustizministerium. Einrichtungen wie die Haasenburg seien als letztes Mittel weiter erforderlich. Yvonne Jennerjahn (mit axf)

Yvonne Jennerjahn (mit axf)

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