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Brandenburg: Unmoralische Angebote in vielen Facetten

Brandenburgs Korruptionsermittler drängen auf mehr Personal

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Brandenburgs Korruptionsermittler drängen auf mehr Personal Neuruppin/Potsdam - Vom „unmoralischen“ 100-Euro-Angebot eines Temposünders an den Polizisten bis hin zum weit verflochtenen Baukartell mit Millionenabsprachen - die Korruption in Brandenburg hat viele Facetten. Jährlich sorgen zahllose Fälle für erhebliche Schäden - bundesweit sollen diese Schätzungen zufolge allein bei der öffentlichen Vergabe von Bauaufträgen bis zu fünf Milliarden Euro betragen - doch aufgedeckt werden kann nur wenig. „Wir haben pro Jahr um die 150 Fälle mit bekannten Verdächtigen, müssen aber von einem erheblichen Dunkelfeld ausgehen“, sagt der Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption in Neuruppin, Frank Winter. Die Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ in Berlin geht davon aus, dass die Dunkelziffer bei Korruptionsdelikten in Deutschland bei 95 Prozent liegt. „Ermittlungen zu Korruptionsfällen sind die schwierigsten überhaupt“, erklärt Winter. „Es gibt keinen direkt Geschädigten, beide Beteiligte – Geber und Nehmer – haben kein Interesse an einer Aufklärung und direkte Zeugen gibt es nur äußerst selten.“ Zumeist sind es anonyme Anzeigen, die die fünf Mitarbeiter von Winter auf die Spur eines Korruptionsfalles bringen. „Das sind natürlich längst nicht immer die dicken Fische“, meint Winter. Bei Großverfahren denke er vor allem an das mutmaßliche Baukartell beim geplanten Großflughafen Schönefeld. Nicht selten ist es aber „nur“ der kleine Schein, mit dem ein Bürger versucht hat, die Bearbeitung seines Passantrages zu beschleunigen. Die Ermittlungen zu größeren Fällen seien Zeit raubende Sisyphos-Arbeit. „Da haben wir durchaus fünf Lastwagenladungen voll beschlagnahmter Akten auszuwerten.“ Der Großteil der Verfahren betreffe die Baubranche, oft aber auch den Medizinbereich. Noch viel effektiver könnte die Arbeit der Schwerpunktabteilung nach Ansicht des Leitenden Oberstaatsanwalts von Neuruppin, Gerd Schnittcher, sein, wenn die geplante Ressort übergreifende Ermittlungsgruppe aus Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt und externen Fachleuten etwa aus der Baubranche „endlich“ eingesetzt würde. Auch die Geschäftsführerin von „Transparency International Deutschland“, Dagmar Schröder, beklagt: „Die Strukturen für eine effektive Korruptionsbekämpfung sind in Brandenburg geschaffen worden, doch die Personalausstattung ist extrem schlecht.“ Aus dem Potsdamer Justizministerium heißt es, dass der Aufbau der Ermittlungsgruppe in Kürze abgeschlossen sei. „Dabei sollen auch fallweise externe Experten von der Staatsanwaltschaft angefordert werden können“, sagt Sprecherin Dorothee Stacke. Noch in diesem Jahr setze das Landeskriminalamt elf Ermittler plus einen Abteilungsleiter zur Korruptionsbekämpfung ein. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bekräftigt: „Korruption verursacht erhebliche wirtschaftliche Schäden, mindert das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Verwaltung und unterminiert den Rechtsstaat.“ Um die Bedeutung der Korruptionsbekämpfung zu unterstreichen, erklärt Oberstaatsanwalt Schnittcher: „Investitionen in die Verfolgung von Korruptionsdelikten sind keine verlorenen Gelder, sondern eine funktionierende Korruptionsbekämpfung holt vielmehr Steuergelder wieder rein, die ansonsten für die Staatskasse verloren wären.“ Imke Hendrich

Imke Hendrich

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