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Denkmalschutz in Brandenburg: Unsichere Geschichte

Brandstiftung hat den alten Klosterspeicher im brandenburgischen Himmelpfort fast zerstört. Nun droht das endgültige Aus.

Von Matthias Matern

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Himmelpfort - Der Schein der Flammen traf die Himmelpforter wie ein Schlag. Mehrere Jahrhunderte hatte das sogenannte Brauhaus des alten Zisterzienserklosters im Zentrum des kleinen Tourismusörtchens am Stolpsee (Oberhavel) überdauert – bis zum 21. August 2010. Ein bis heute nicht aufgeklärter Fall von Brandstiftung legte die denkmalgeschützte Sehenswürdigkeit damals in den frühen Morgenstunden in Schutt und Asche. „In der Brandnacht haben die Leute auf der Straße gestanden und geweint“, erinnert sich Matthias Paul, Betreiber des benachbarten „Haus des Gastes“ und der weit über Brandenburgs Grenzen bekannten Weihnachtspostfiliale. Zweieinhalb Jahre danach gibt das mittelalterliche Bauwerk immer noch ein trauriges Bild ab: Verkohlte Holzbohlen liegen kreuz und quer herum, rußgeschwärzte Backsteine lassen erkennen, wo sich der Qualm damals den Weg aus dem Inneren gesucht hat. Nun droht dem Denkmal das endgültige Aus – einer der Eigentümer der ohnehin einsturzgefährdeten Ruine hat einen Abrissantrag gestellt. Alle Versuche, das Haus doch noch zu retten, sind bislang gescheitert.

„Dass nichts mit der Ruine passiert, ist einfach eine Schande. Architektonisch und weil es der schönste Fleck im ganzen Ort ist“, ärgert sich Himmelpforts Ortsvorsteher Lothar Kliesch (SPD). Umgerechnet 500 000 Euro seien in den 90er Jahren im Umfeld des Klosters investiert worden. Ein großer Besucherparkplatz, der vor allem in der Adventszeit, wenn Himmelpfort wegen seiner Weihnachtspostfiliale zur Pilgerstätte wird, gebraucht werde, könne nicht benutzt werden, weil der aufgestellte Baustellenzaun rund um die Ruine die Zufahrt versperre. „Immer wieder fragen uns die Besucher, was das soll und warum das Brauhaus nicht wieder aufgebaut wird“, ergänzt Paul.

Dabei sah es laut Kliesch kurz nach dem Feuer zumindest so aus, als wenn die baugeschichtlich wertvolle Ruine zumindest fachgerecht gesichert werden würde. Das Brauhaus gehöre einer dreiteiligen Eigentümergemeinschaft, bei der einer der Anteilseigner als Bevollmächtigter auftrete. Bei dem Bevollmächtigten handelt es sich um einen Behördenmitarbeiter aus Nordrhein-Westfalen, der allerdings anonym bleiben will. Laut Kliesch haben die Besitzer nach dem Brand 300 000 Euro von der Versicherung erhalten – allerdings ohne Auflagen. Dafür verlangte die Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises eine unverzügliche Sicherung des alten Brauhauses. „Der Bevollmächtige der Eigentümer hatte sich bereits von einem Ingenieurbüro ein Angebot machen lassen, parallel vor dem Verwaltungsgericht Potsdam aber gegen die verlangte Sofortmaßnahme geklagt“, berichtet Ortsvorsteher Kliesch. Zwar habe er in erster Instanz verloren, sich aber in einem Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht durchgesetzt. Weil eine wirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich sei, müsse der Eigentümer die Ruine auch nicht umgehend sichern, hätten die Richter die Entscheidung damals begründet, so Kliesch. Höchstens zum Wegräumen des Schutts seien die Eigentümer möglicherweise zu verpflichten. Das Hauptverfahren steht noch aus. Der Kreis geht mittlerweile jedoch davon aus, dass das Brauhaus nach einem zulässigen Umbau als Wohngebäude durchaus wirtschaftlich nutzbar wäre. Ein Argument, das dieses Mal vor Gericht überzeugen soll.

Die Stadt Fürstenberg/Havel, zu der Himmelpfort gehört, hat die Besitzer zudem auf Freigabe der Zufahrt zum Besucherparkplatz an der Weihnachtspostfiliale verklagt. Entsprechend vergiftet ist die Atmosphäre. Nun versuche man ihn auf einem anderen Wege dranzukriegen, so der Bevollmächtigte der Anteilseigner. Dabei haben er und ein zweiter Anteileigner ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein der Stadt Fürstenberg mehrfach 50 000 als Zuschuss zur Sicherung der Ruine angeboten, dazu zwei der drei Anteile als Geschenk, behauptet der Bevollmächtigte. Die hoch verschuldete Stadt aber habe gezaudert. Kliesch jedoch hält dagegen, dass lediglich zwei von drei Anteilen nutzlos seien, weil nur der alleinige Eigentümer des Brauhauses Fördermittel für die Sicherung und den Wiederaufbau stellen könne. Der dritte Anteil aber setzt sich laut dem Bevollmächtigten aus einer Erbengemeinschaft zusammen, deren Personen unbekannt sein. Kliesch meint, eine Auflösung dieser Erbengemeinschaft durch die beiden anderen Anteilseigner wäre reine Formsache. Doch der Bevollmächtige sträube sich. Eine verzwickte Situation, in der das Ende des alten Brauhauses offenbar unaufhaltsam näherrückt. „Im Januar ist bei uns ein Abrissantrag eingegangen, der zurzeit geprüft wird“, sagt Irina Schmidt, Sprecherin des Kreises Oberhavel.

„Eine lange Leidensgeschichte und ein richtig schwieriger Fall“, findet auch Thomas Drachenberg, Landeskonservator und damit Brandenburgs oberster Denkmalpfleger. Ein Abriss wäre aus Drachenbergs Sicht ein Super-Gau. „Wir reden über den Verlust des ehemaligen Kornhauses des Zisterzienserklosters von Himmelpfort. Die Klosteranlage hat landesweite Bedeutung. Da müssen nochmal alle Kräfte mobilisiert werden.“ Die Kosten für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen belaufen sich nach Angaben des Landesdenkmalamtes auf etwa 100 000 Euro. Der einsturzgefährdete Westgiebel müsste mit einer Stahlkonstruktion gestützt und die Wände mit einer sogenannten Mauerkrone abgedeckt werden, damit kein Wasser eindringt.

Gestiftet wurde das Kloster Himmelpfort 1299 vom askanischen Markgrafen Albrecht III., einem Urenkel von Albrecht dem Bären, dem Gründer der Mark Brandenburg, Coeli porta, die Pforte des Himmels, war das letzte Kloster, das von den Askaniern ins Leben gerufen wurde. Himmelpfort wurde als drittes Tochterkloster vom Kloster Lehnin gegründet.

Bauhistorisch bedeutsam ist vor allem der noch vorhandene, aber von Einsturz bedrohte Westgiebel des alten Brauhauses. „Für ein Wirtschaftsgebäude war das Brauhaus relativ reichhaltig verziert“, meint Erich Köhler, Ortschronist von Himmelpfort und ehemaliger Pfarrer der dortigen Gemeinde. Das alte Kloster ist die Passion des 78-Jährigen. Aus einem dicken Aktenordner zieht er mehrere historische Postkarten aus Himmelpfort, auf denen das Brauhaus aus der Zeit um 1900 zu sehen ist. Auch mehrere Zeichnungen und Aquarelle einiger Künstler hat er in seiner Sammlung. „Das Kloster war Gründungsimpuls, Namensgeber und Mittelpunkt von Himmelpfort“, erzählt Köhler.

Die einstige mittelalterliche Anlage wurde bereits im Dreißigjährigen Krieg weitgehend zerstört. Neben der Brauhausruine existieren heute nur noch die 2003 mithilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz restaurierten Klosterkirche und Teile der alten Klostermauern. Sowohl Kliesch als auch Paul und Köhler haben die Hoffnung auf eine Einigung mit den Eigentümern trotz aller Streitigkeiten noch nicht aufgegeben. „Ohne Kompromisse kommen wir nicht weiter“, sagt Köhler.

Ideen für den Fall, dass der gordische Knoten zerschlagen werden kann, gibt es mehrere. So soll ein Berliner Interesse an einer Nutzung des Brauhauses als Gewerbe- und Wohnimmobilie geäußert haben. Vergangenes Jahr trafen sich zudem rund 30 Klosterfreunde, um über die Gründung einer Stiftung zur Rettung des Denkmals zu diskutieren. Drachenberg kann sich auch ein Restaurant in dem wiedererrichteten alten Gemäuer vorstellen. „Oder auch als Veranstaltungsort in einer überdachten Ruine nach Vorbild der Schlossruine in Dahme“, meint der Denkmalschützer. Doch zuerst aber müsse das alte Brauhaus gesichert werden. „Dann können wir erst einmal ausatmen.“

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