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Brandenburg: Unter Mindeststandard

Besonders im Fach Mathematik, aber nicht nur dort schneiden Brandenburgs Achtklässler bei Vera-Vergleichsarbeiten miserabel ab

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Potsdam - 80 Minuten hatten sie Zeit, um die Aufgaben zu lösen. Es waren entweder 43 oder 46, die Lehrer hatten zwei Testhefte, die sie ihren Schülern je nach Leistungsstand zur Auswahl stellen konnten. „Getestet wurden allgemeine mathematische Kompetenzen in allen Inhaltsbereichen der Bildungsstandards“, heißt es dazu im Länderbericht Brandenburg „Vera 8“ zu den „Vergleichsarbeiten in der Jahrgangsstufe 8 im Schuljahr 2015/16“. Er hat einen Umfang von 19 Seiten. Und er wurde in dieser Woche – ohne jeden Hinweis, ohne jede Erläuterung, ohne jede Erklärung des von Minister Günter Baaske (SPD) geführten Bildungsministeriums – auf der Homepage des Instituts für Schulqualität Berlin-Brandenburg (ISQ) der beiden Länder publiziert. Eigentlich sollte das erst in ein paar Wochen geschehen. Doch letzten Freitag hatten die PNN eine Anfrage an das Ministerium gestellt, wie die Brandenburger bei den Vera-Tests abgeschnitten haben, nachdem die Berliner Ergebnisse bereits Ende Oktober veröffentlicht worden waren.

In Mathematik haben 15 747 Brandenburger Schüler der achten Klassen, und damit eigentlich alle, diese nicht benoteten Vergleichsarbeiten geschrieben, an 244 Schulen, davon 6438 Schüler an 75 Gymnasien, 2050 an 20 Gesamtschulen und 6283 an 116 Oberschulen, außerdem 952 Achtklässler an 30 Schulen in freier Trägerschaft. Sie sollen ein Test sein, ein „Frühwarnsystem“, damit im neunten und zehnten Schuljahr Versäumnisse noch aufgeholt werden können.

Die aktuellen Befunde, die vor allem auch Vermittlungsschwächen der Grundschulen im Land hindeuten, könnten kaum dramatischer sein: In Brandenburg können demnach Tausende Kinder nach acht Schuljahren in Mathematik fast nichts, zumindest wenn sie nicht an Gymnasien lernen. In Mathematik können danach etwa 60 Prozent der Oberschüler und 40 Prozent der Gesamtschüler im achten Schuljahr nicht einmal einfache Aufgaben lösen. Sie sind zwei Jahre vor den Prüfungen der 10. Klasse „unter Mindeststandard“, der niedrigsten Kategorie einer Fünf-Kompetenzstufen-Skala, scheitern schon an Minimalanforderungen. Von einer Ausbildungsreife sind sie jedenfalls weit entfernt.

Und im Vergleich zum letzten Vera-8-Test für 2014/2015 haben sich die Mathematik-Leistungen der Brandenburger Achtklässler sogar noch signifikant verschlechtert. Damals fehlten in Mathe bei 41 Prozent der Oberschüler und 32 Prozent der Gesamtschüler „basale Kenntnisse“. Bei nur vier Prozent ist das aktuell an den Gymnasien der Fall, in die nach sechs Grundschuljahren leistungsstärkere Schüler wechseln. Die Ergebnisse korrespondieren mit Erfahrungen der Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern, die seit Jahren regelmäßig klagen, wie wenig brandenburgische Schulabgänger eigentlich können, vor allem in den Fächern Mathematik und Deutsch, was in der Lehre nachgeholt werden muss.

In Berlin, mit seinem Bildungssystem das Schlusslicht in Deutschland, ist die Lage noch schlechter. Nach den Vera-Ergebnissen der Hauptstadt können 68 Prozent aller Achtklässler – da sind die Gymnasien sogar schon inbegriffen – in Mathe kaum etwas. Allerdings liegt das am hohen Anteil von Migranten an den Schulen mit geringen Sprachkenntnissen. Berlin hatte seine Ergebnisse Ende Oktober veröffentlicht. Vorher hatten beide Bildungsverwaltungen erwogen, entgegen der jahrelangen Praxis die brisanten Vera-Ergebnisse gar nicht mehr zu publizieren. Das wurde verworfen.

nbsp;Thorsten Metzner

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