Atommüll-Endlager in Brandenburg: Untersuchungswürdig
Brandenburg darf sich bei Endlagerfrage nicht wegducken, sagen die Grünen. Insgesamt hat der Bund sechs Gebiete im Blick - darunter auch unterirdische Gesteinsformationen unter der Landeshauptstadt und dem benachbarten Potsdam-Mittelmark.
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Potsdam - Nach Meinung der Grünen darf sich das Land Brandenburg bei der Suche nach einem geeigneten Standort für ein Atommüllendlager nicht wegducken. „Ich halte es für einen großen Erfolg, dass jetzt bundesweit und ergebnisoffen gesucht wird. Das heißt, es kann überall sein – auch in Brandenburg“, sagte Brandenburgs Grünenchef Benjamin Raschke am Donnerstag den PNN. Nach Einschätzung von Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kommen für eine Endlagerung von Atommüll durchaus auch mehrere unterirdische Gesteinsformationen in Brandenburg infrage – unter anderem auch unter der Landeshauptstadt Potsdam und dem benachbarten Kreis Potsdam-Mittelmark. Auf einer Karte des BGR, die Bund und Ländern bei der am Mittwoch verabredeten Suche nach einer dauerhaften Lagerstätte für hoch radioaktive Abfälle dienen soll, sind entsprechende Flächen ausgewiesen.
Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) wollte sich am Donnerstag zu den vom BGR ausgwiesenen Gebieten nicht äußern. „Brandenburg hat sich seit Jahren für eine bundesweite ergebnisoffene Standortsuche unter Einbindung einer breiten Öffentlichkeit ausgesprochen“, so die Ministerin. Jetzt gehe es erst einmal darum, Auswahl-Kriterien festzusetzen, nach denen eine objektive Prüfung möglich wird. „An Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen“, sagte Tack.
Außer den Gebieten in Potsdam und Potsdam-Mittelmark hält die Bundesanstalt offensichtlich auch Gebiete im äußersten Westen des Kreises Havelland, bei Brandenburg/Havel sowie im Nordwesten des Landes für möglicherweise geeignet. Teile des Salzstocks von Gorleben, wo seit Jahren erfolgreich gegen ein Atomendlager gekämpft wird und wo bereits Atommüll zwischengelagert wird, erstreckten sich bis in die benachbarte Prignitz. Weitere untersuchungswürdige Gebiete in Deutschland sehen die BGR-Experten nur noch im westlichen Mecklenburg-Vorpommern, in weiten Teilen Niedersachsens und in zwei Gebieten Baden-Württembergs.
Bei den potenziellen Lagerstätten handelt es sich allesamt entweder um unterirdische Steinsalz- oder Tonsteinformationen. Zu einzelnen ausgewiesenen Gebieten wollte sich die Bundesanstalt am Donnerstag nicht äußern. Für besonders geeignet halten die BGR-Experten Steinsalz, das durch Ablagerung von verdunstetem Meerwasser oder aber durch Verdunstung mineralreichen Grundwassers entsteht, wegen der hohen Isolationseigenschaften für hoch radioaktive wärmeentwickelnde Abfälle. Laut BGR gibt es alleine in Norddeutschland und der deutschen Nordsee 450 Salzsteingebiete.
Auch Tonschichten besitzen aus Sicht des BGR günstige Barriereeigenschaften, vor allem wegen ihrer oft geringen bis sehr geringen Durchlässigkeit, der für sie teilweise typischen Plastizität sowie wegen ihrer chemischen Pufferwirkung und ihrer Rückhaltekapazität für Schadstoffe und Radionuklide. Allerdings leitet Experten zufolge Ton Wärme schlechter ab als Steinsalz. Zudem sind künstliche Hohlräume nicht so stabil und müssten stabilisiert werden. Darüber hinaus sollte die Temperatur im Gestein, die durch den radioaktiven Abfall erzeugt wird, 100 Grad nicht überschreiten. Salz wiederum sei sehr gut löslich. Wasser oder Laugen könnten sich somit leichter einen Weg durch die Barriere bahnen. Bei den Gesteinsformationen in Brandenburg handelt es sich jedoch bis auf den Bereich in der Prignitz überwiegend um Tonschichten.
Ob Gebiete in Brandenburg überhaupt als Endlagerstandort geeignet wären, lasse sich zum derzeitigen Zeitpunkt noch gar nicht sagen, sagte Klaus Freytag, Präsident des Landesbergamtes Brandenburg (LBGR), am Donnerstag. „Wir warten jetzt auf die Maßstäbe, die die Politik festlegen muss. Erst dann können wir sagen, welches Gebiet den Anforderungen entspricht“, so der LBGR-Chef. Grundsätzlich seien die geologischen Voraussetzungen aber nicht bestechlich und ließen sich auch nicht wegdiskutieren, so Freytag. Allerdings sei Brandenburg bei Diskussionen um einen möglichen Endlagerstandort in der Vergangenheit nie im Gespräch gewesen. „Das legt nahe, dass Brandenburg vielleicht nicht gerade ein Premiumstandort wäre“, schlussfolgerte der LBGR-Chef. Zudem werde wohl das Argument „eines besonders dichtbesiedelten Raumes nicht ganz von der Hand zu weisen sein“, wenn es etwa um die Frage der Eignung des unter Potsdam ausgewiesenen Gebietes geht, sagte Freytag.
Nach Meinung von Grünenchef Raschke aber dürfe genau dieser Tatbestand künftig keine Rolle mehr spielen. „Es darf in dem Prozess nicht darum gehen, wo sich am wenigsten Leute wehren. Ausschlaggebend dürfen einzig die geologischen Voraussetzungen sein.“
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