
© Doris Spiekermann-Klaas
Brandenburg: Verbraucherschützer: Land begeht Rechtsbruch
„Foodwatch“: Landeslabor Berlin-Brandenburg verstößt gegen EU-Recht. Kommunen: Die Zustände sind nicht akzeptabel
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Potsdam - Verbraucherschützer werfen der rot-roten Landesregierung Brandenburgs wegen der von Brandenburgs Amtstierärzten angeprangerten Missstände im Landeslabor Berlin-Brandenburg Rechtsbruch vor. „Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre Brandenburg rechtsbrüchig“, sagte der stellvertretende Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Foodwatch, Matthias Wolfschmidt, am Mittwoch den PNN. Nach der EU-Verordnung zu Grundsätzen und Anforderungen des Lebensmittelrechts sei das Land eindeutig zu lückenlosen Kontrollen verpflichtet. Alarmiert zeigte sich auch der Geschäftsführer des brandenburgischen Landkreistages, Paul-Peter Humpert: „Die Zustände sind nicht akzeptabel, wenn sie stimmen. Entweder muss das Landeslabor personell deutlich verstärkt werden, oder es müssen künftig Aufträge stärker an andere Labors vergeben werden“, forderte Humpert.
Wie berichtet hatte der Vorsitzende des Verbandes der Tierärzte im Öffentlichen Dienst Brandenburg, Knut Große, am Dienstag in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) Missstände im gemeinsamen Landeslabor der Länder Berlin und Brandenburg angeprangert. Das Labor selbst bestätigte sie im Wesentlichen. Aus Mangel an Personal würden dort zunehmend rechtlich vorgeschriebene Proben nur noch sensorisch (gucken, riechen, tasten) untersucht, aber nicht mehr wie vorgeschrieben mikrobiologisch oder chemisch analysiert. Ferner seien nach wie vor rund 130 Pflichtproben aus dem vergangenen Jahr gar nicht erledigt. Statt wie vorgegeben sechs bis acht Wochen dauere es mitunter viele Monate vom Eingang einer Probe bis zum abschließenden Befund, beklagte Große, der selbst Amtstierarzt in Brandenburg/Havel ist. Dadurch werde Sinn und Zweck der amtlichen Lebensmittelüberwachung und des Verbraucherschutzes im Land Brandenburg und in Berlin infrage gestellt, so der Veterinär.
Untersucht werden sollen in dem 2009 gegründeten Landeslabor unter anderem sogenannte Planproben, die die brandenburgischen Kommunen und Berliner Bezirke routinemäßig im Einzelhandel oder in der Produktion nehmen. Die Bandbreite reicht von Fleischerzeugnissen aus der Supermarkttheke bis hin zu Milch, Backwaren, Tabak und Kosmetika sowie Futtermittel für Tiere. „Alle Unternehmen und Betriebe werden kontrolliert – egal ob Imbissbude oder Exporterzeuger“, schilderte Große am Mittwoch.
Ebenfalls in das Landeslabor geschickt werden Proben von Waren, mit deren Qualität Kunden nicht zufrieden sind, die möglicherweise sogar ungenießbar sind. In solchen Fällen nehmen die Lebensmittelkontrolleure der Kommunen aus dem jeweiligen Geschäft oder Produktionsstätte eine zusätzliche Vergleichsprobe und lassen beides vom Landeslabor untersuchen. Große zufolge würden mehr als drei Viertel solcher Beschwerdeproben von den Verbrauchern zu Recht beanstandet. „Immer wieder rufen die beanstandeten Betriebe oder aber die Verbraucher bei uns an und fragen, was nun aus den Proben geworden ist und wir können nur mit den Achseln zucken“, berichtete der Verbandsvorsitzende.
Gründe für den Personalmangel sind laut Große, dass Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen, nicht ersetzt werden und dass für Beschäftigte, die sich eine Auszeit nehmen, keine Vertretung eingestellt wird. Ursprünglich startete das gemeinsame Landeslabor vor vier Jahren mit 491 Stellen, vergangenen Sommer waren es gerade noch 444. Aktuellere Angaben waren vom Landeslabor trotz Nachfrage nicht zu bekommen.
Nach mehreren unbeantworteten Briefen an Brandenburgs Verbraucherschutzministerin Anita Tack (Linke) in den vergangenen zwei Jahren soll es nun endlich am 6. September ein Gespräch zwischen dem Verbandschef und Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt geben. Große ist trotzdem sauer: „Dass seit 2011 von der Landsregierung absolut nichts gekommen ist, ist ein Skandal.“
Unzufrieden mit der Situation ist man offenbar auch beim Linke-Koalitionspartner SPD. „Es ist ja schon länger bekannt, dass es dort nicht so rund läuft“, sagte die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Kerstin Kircheis, am Mittwoch den PNN. Doch so könne es nun nicht mehr weitergehen. Ihre Fraktion habe deshalb Tack aufgefordert, auf der nächsten Sitzung des SPD-Arbeitskreises Verbraucherschutz in zwei Wochen für Aufklärung zu sorgen und Lösungesvorschläge vorzulegen, so Kircheis. Allerdings müsse auch das Land Berlin als zweites Trägerland stärker als bisher in die Pflicht genommen werden, so die SPD-Abgeordnete.
Weil die Kritik bislang vor allem aus Brandenburg kommt, sieht Verbraucherschützer Wolfschmidt besonders Tack in Zugzwang. „Öffentlich erweckt Frau Tack immer den Eindruck, sie sei an großer Transparenz beim Thema Lebensmittelsicherheit interessiert, wie zum Beispiel in der Debatte um das Smiley-System zur Bewertung von Restaurants. Andererseits zeigt der Brief, dass es offensichtlich schwerwiegende Missstände bei den eigenen Kontrollen gibt“, sagte der stellvertretende Foodwatch-Chef.
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