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Brandenburg: Verkehrswacht: Radwegen droht Verfall Neue Regelung verleitet zur Aufgabe von Strecken

Potsdam - Für Radfahrer wird der Straßenverkehr nach Ansicht der Verkehrswacht und des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) immer unsicherer. Grund ist die Aufhebung der Radwegenutzungspflicht.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Für Radfahrer wird der Straßenverkehr nach Ansicht der Verkehrswacht und des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) immer unsicherer. Grund ist die Aufhebung der Radwegenutzungspflicht. Nach aktueller Rechtsprechung müssen Radfahrer an Stellen ohne besondere Gefahr nicht mehr zwingend den Radweg benutzen.

Nach Einschätzung des brandenburgischen Infrastrukturministeriums ist damit zu rechnen, dass Kommunen von der neuen Regelung Gebrauch machen. Zwar betont Sprecherin Petra Dribbisch: „An identifizierten Gefahrenstellen wird die Pflicht zum Nutzen des Radweges nicht aufgehoben.“ Doch es sei davon auszugehen, dass in den Kommunen andere Wege als separate Radwege gesucht werden, um Radfahrer in den Verkehr zu integrieren.

Der Präsident der Landesverkehrswacht Brandenburg, Jürgen Maresch, betrachtet das mit Sorge. „Ich habe Angst, dass lediglich aus Sparzwängen Radwege aufgegeben werden“, sagte er am Donnerstag. Eine Million Euro sind laut Maresch im jährlichen Landeshaushalt für Ausbau und Erhalt von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen vorgesehen. Der tatsächliche Investitionsbedarf liege indes bei 12,5 Millionen Euro.

Ein Vernachlässigen der Radwege hätte aber möglicherweise auch wirtschaftliche Folgen. Immerhin gelten Radreisen als eine der wichtigsten Säulen des brandenburgischen Tourismus. Der jährliche Gesamtumsatz liegt nach Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums bei etwa 9,16 Milliarden Euro brutto. Doch nach einer Studie, die der aktuellen Landestourismuskonzeption zugrunde liegt, lässt der Zustand einiger Radwege zu wünschen übrig. Die Finanzierung der Pflege erweise sich als problematisch, heißt es dort. Maresch warnt deshalb: „Welcher Radtourist wird künftig nach Brandenburg kommen, wenn er sich hier neben schweren Lkw auf die Straße quetschen muss.“ Zudem bemängelte er fehlende Kriterien, welche Stellen an Straßen überhaupt als gefahrlos eingestuft werden können. „Mir sind solche Stellen auch nicht bekannt“, sagte Brandenburgs oberster Verkehrswächter. „Wenn Auto- und Radfahrer aufeinandertreffen, ist es immer gefährlich“, fügte er hinzu.

Die Einschätzung der Gefahrenlage unterliegt laut Infrastrukturministerium den unteren Verkehrsbehörden. Für die künftige Ausweisung von Radwegen sollen auch Daten der örtlichen Unfallkommissionen und der Polizei genutzt werden. Jedoch fehlt für eine qualifizierte Bewertung die Grundlage. Laut Ministerium wird derzeit erst in einem Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Straßenwesen ein Leitfaden erarbeitet.

Für Maresch sprechen allein die Unfallzahlen der vergangenen Jahre gegen eine Aufhebung der Regelung. 2011 waren in Brandenburg 3559 Radfahrer in Unfälle verwickelt, wobei 2557 verletzt wurden. 23 Radfahrer starben. „Die Zahlen der Vorjahre sind ähnlich“, sagte Maresch. Vor diesem Hintergrund fordert auch der ADAC den Erhalt separater Radwege. „Das Markieren von kostengünstigen Fahrradstreifen auf ohnehin häufig engen Fahrbahnen ist keine Lösung“, sagt Volker Krane, Vorstand für Verkehr des ADAC Berlin-Brandenburg.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Petke begrüßt die neue Regelung. Der Verkehrswacht hält er vor, sich unzureichend mit der neuesten Unfallforschung zu beschäftigen. Demnach würden weniger Unfälle geschehen, wenn Radfahrer auf der Straße unterwegs sind, weil sie dort besser von Autofahrern wahrgenommen werden. P. Könnicke/M. Matern

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