Brandenburg: Verrat am Verfassungsschutz?
CDU-Generalsekretär Petke wurde aus dem Ministerium über Potsdams „Hassprediger“ informiert
Stand:
CDU-Generalsekretär Petke wurde aus dem Ministerium über Potsdams „Hassprediger“ informiert Potsdam - Im Brandenburger Innenministerium von Jörg Schönbohm (CDU) hat es nach PNN-Recherchen im Vorjahr an hoher Stelle einen schweren Fall von Geheimnisverrat gegeben. Demnach wurden kurz vor der letzten Landtagswahl im September 2004 geheime Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über Aktivitäten in der Potsdamer „Mescid al Farouq“ Moschee von einem hohen Mitarbeiter des Ministeriums an den CDU-Landtagsabgeordneten Sven Petke verraten. Die Interna kannten nur die Abteilungsleiter des Ministeriums und Staatssekretär Eike Lancelle. Petke ist Vorsitzender des Rechtsausschusses des Landesparlaments, Generalsekretär der Landespartei und war bis 1999 selbst Verfassungsschützer. Er nannte am 7. September in der Presse den Imam der Moschee, den Palästinenser Kamal Abdallah, einen „Hassprediger gegen den Westen, seine Lebensweise und seine Ungläubigen“. Petke weiter: Gegen Abdallah „werde wegen einer Scheinehe ermittelt“ und er sei eine Art Kaplan von Potsdam. Petke hatte bisher behauptet, andere Quellen für seine Behauptungen zu haben – doch die PNN Recherchen lassen erhebliche Zweifel an seiner Version aufkommen. Nach den PNN vorliegenden Informationen wurde Petke, der in der CDU als Ziehsohn von Landeschef Schönbohm gilt, direkt aus dem Führungszirkel des Ministeriums informiert. Durch Petkes öffentliche Äußerungen wurde zudem eine geheime Aktion des Landesverfassungsschutzes behindert. „Ab dem Zeitpunkt war der islamischen Gemeinde Potsdams klar, dass sie beobachtet wird und es einen in ihrer Mitte gibt, der plaudert – oder dass wir sie zumindest abhören“, so ein Verfassungsschützer gegenüber den PNN. „Die konnten sich doch an drei Fingern abzählen, dass wir da einen Informanten, einen V-Mann, haben.“ Der Einsatz des V-Mannes sei nach Petkes Veröffentlichungen mitten im Wahlkampf sinnlos und „auch nicht mehr ungefährlich“ gewesen, so ein Insider. Der V-Mann hatte seine Erkenntnisse dem Verfassungsschutz gemeldet. Der damalige Chef des Nachrichtendienstes, Heiner Wegesin, wiederum hatte in einer internen Besprechung der Abteilungsleiter des Ministeriums bei Innen-Staatssekretär Eike Lancelle (CDU) darüber berichtet. Petke hatte bisher behauptet, seine Informationen über die Vorgänge in der Moschee von Mitgliedern der Islamischen Gemeinde bzw. Leuten aus seinem Potsdamer Wahlkreis zu haben, die sich an ihn gewandt hätten. Doch daran hatte selbst die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), die die Arbeit des Nachrichtendienstes kontrollieren soll, ihre Zweifel. Das Gremium hatte Petke Anfang Dezember wegen seiner öffentlichen Äußerungen gerügt. „Die Äußerungen des Abgeordneten Petke und die sich anschließende Diskussion haben die Arbeit der Sicherheitsbehörden erschwert“, hieß es in einer einstimmigen Erklärung der PKK, die auch vom Vertreter der CDU in dem Gremium getragen und von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) akzeptiert worden war. „Kinder plappern ohne nachzudenken. Erwachsene sollten sich unter Kontrolle haben“, hatte damals der PKK-Vorsitzende Christoph Schulze (SPD) gesagt. Die PKK war auch dem Verdacht auf Geheimnisverrat bereits im November und Dezember 2004 nachgegangen – allerdings ergebnislos. Das könnte sich jetzt ändern. „Petke kann seine Informationen nur aus diesem kleinen Kreis haben“, so ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gegenüber den PNN. Und weiter: „Die Geschichte mit den Leuten, die sich an ihn gewandt haben sollen, ist doch absoluter Nonsens – das weiß bei uns im Hause jeder.“ Für einen ranghohen Beamten des Innenministeriums steht fest, dass Petke aus der Staatssekretärsrunde informiert wurde: „Es kam doch nicht von ungefähr, dass kurze Zeit später der Minister öffentlich vor den Gefahren durch Islamisten auch in Brandenburg gewarnt hat: Petke sollte die Kampagne quasi vorbereiten, die Leute sensibilisieren.“ Petke, so der Ministeriumsmitarbeiter weiter, werde ohnehin regelmäßig mit Informationen und Statistiken aus dem Innenministerium versorgt, die er dann in Presseerklärungen öffentlich mache. Dass Staatssekretär Lancelle allerdings selbst die Informationen an Petke weitergegeben hat, gilt als unwahrscheinlich: „So blöd ist der nicht – da traut er Petke auch nicht weit.“ Doch in der internen Abteilungsleiterrunde, die vom Verfassungsschutz informiert worden war, sitzt ein CDU-Mann, einst selbst wie Petke Verfassungsschützer und heute im Innenministerium tätig (Namen der Redaktion bekannt). Er gilt als enger Vertrauter von Petke. „Was Petke nicht von Schönbohm oder Lancelle bekommt, das bekommt er von dem“, so hohes CDU-Mitglied. Petke bestritt gestern, andere Quellen genutzt zu haben: „Andere Behauptungen sind falsch“, sagte er den PNN. Genutzt hat Petke seine „Hassprediger“-Aktion bis heute nichts: Der Imam zeigte ihn an und die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Verleumdung. Und am 30. September erließ die 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam eine einstweilige Verfügung, die es Petke unter Strafandrohung untersagt, die Vorwürfe gegen Kamal Abdallah zu wiederholen. Petke wird ein Ordnungsgeld von „250000 Euro oder ersatzweise sechs Monate Haft“ angedroht. Die Verfahrenskosten in Höhe von 759,09 Euro musste Petke zahlen. Sollte es zu einer Anklage der Staatsantwaltschaft gegen Petke wegen Verleumdung ( Paragraf 187 Strafgesetzbuch/bei Verurteilung drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe) hat er nach Ansicht von Rechtsexperten schlechte Karten: Er kann seinen Vorwurf nur belegen, wenn er dem Gericht einen Angehörigen der muslimischen Gemeinde präsentiert, der zugibt, Petke über die „Hasspredigten“ informiert zu haben. Sollte jetzt auch noch gegen Mitarbeiter des Innenministeriums wegen Geheimnisverrats ermittelt werden, könnte Petke, immerhin Vorsitzender des Rechtsausschusses des Landtages, wegen Anstiftung oder Beihilfe mit hineingezogen werden. Der einstige Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, hatte die betreffende Predigt „problematisch, allerdings nach sorgfältiger Prüfung nicht strafbar“ genannt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: