Brandenburg: Verschlankung der Landesverwaltung: Stellenstreichungen sollen sozialverträglich sein
Der vom Kabinett am Sonntag beschlossene Abbau von 8000 Stellen in der Landesverwaltung hat unter den 66 000 Landesbediensteten Unruhe ausgelöst. Vor allem, weil nicht klar ist, wie die Regierung das Ziel erreichen will, welche Stellen betroffen sind und ob es nicht doch betriebsbedingte Kündigungen geben wird.
Der vom Kabinett am Sonntag beschlossene Abbau von 8000 Stellen in der Landesverwaltung hat unter den 66 000 Landesbediensteten Unruhe ausgelöst. Vor allem, weil nicht klar ist, wie die Regierung das Ziel erreichen will, welche Stellen betroffen sind und ob es nicht doch betriebsbedingte Kündigungen geben wird. Es gebe hier "erhebliches Konfliktpotenzial", sagte Werner Ruhnke von Ver.di Brandenburg. Auch Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) geht davon aus, dass es jetzt bei vielen Mitarbeitern "Befürchtungen um den eigenen Arbeitsplatz" geben werde. Doch könne man das Land nur mit "einer zeitgemäßen und modernen Verwaltung" voranbringen.
In einem offenen Brief an alle Mitarbeiter sicherte Stolpe zu, dass der Stellenabbau "sozialverträglich" erfolgen werde. Allerdings vermied er die Zusage, dass es in keinem Fall betriebsbedingte Kündigungen geben werde. Sie sind zwar bis Mitte 2003 ausgesetzt. Doch befürchten Gewerkschaften und Hauptpersonalrat, dass die Regierung, wenn sie die 8000 Stellen nicht anders einsparen kann, danach doch betriebsbedingte Kündigungen aussprechen werde. Sie drängen deshalb auf eine neue vertragliche Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen auch über 2003 hinaus generell ausschließt. Hauptpersonalrat Dieter Jungblut befürchtet obendrein, dass die Landesverwaltung "vergreisen" könnte. Schon jetzt gebe es einen Einstellungsstop für unbefristete Stellen. Um den geplanten Stellenabbau erreichen zu können, sei in den nächsten Jahren erst recht nicht mit Neueinstellungen zu rechnen. "Vergreisung" tue nie gut, so Jungblut. Ein Beispiel sei die überalterte Verwaltung von Schleswig-Holstein, wo das Durchschnittsalter bei über 50 Jahren liege.
Staatskanzlei-Chef Rainer Speer, der den Stellenabbau koordiniert, bestritt nicht, dass eine Gefahr der Überalterung bestehe. "Das ist immer so, wenn dichtgemacht wird." Aber die Landesregierung habe keine andere Wahl. Mit 4,8 Milliarden Mark in diesem Jahr gibt die Landesregierung praktisch jeder vierte Mark für ihr Personal aus - obwohl nur Osttarif gezahlt wird. Auch der Landesrechnungshof hatte in seinem jüngsten Bericht kritisch vermerkt, dass die Personalausgaben des Landes in den letzten Jahren schneller gestiegen seien als die Gesamtausgaben. Die von der Regierung vorgelegten Stellenzahlen haben indes für erhebliche Irritationen gesorgt: Während das Kabinett von derzeit exakt 66 253 Stellen ausgeht, ist im Haushaltsplan 2001 ein Soll von 61 797 Stellen angegeben. Selbst bei Hinzurechnung der Anfang Februar von Staatskanzlei-Chef Speer "zufällig im Bereich Bildung und Forstwirtschaft gefundenen 3000 Personalstellen" komme man, so PDS-Geschäftsführer Heinz Vietze, nur auf 64 797 Stellen.
Noch verwirrender werde es, wenn man einen Bericht der Finanzministerin über die Istbesetzung zugrunde lege: Darin würden nur 60 936 besetzte Stellen ausgewiesen. Wegen der Ungereimtheiten hat die PDS die Landesregierung in einer Dringende Anfrage aufgefordert, "endlich die exakte Ausgangsgröße des Personalbestandes für ihr Einsparungssoll preiszugeben". Speer trug gestern noch zur Verwirrung bei: In einem von ihm gestern vorgelegten Papier wird der "Ausgangsbestand" zwar auf derzeit 66 253 Bedienstete beziffert. Doch bleibt völlig offen, wie diese Zahl zu Stande kommt, da eine Auflistung nach einzelnen Ressorts und deren nachgeordneten Behörden fehlt. Außerdem werden die geplanten Endzahlen nicht konkret nach Ressorts aufgeschlüsselt, sondern nur nach so genannten Politikfeldern. Speer begründete die Verfahrensweise so: Das Kabinett wolle verhindern, dass die Medien die "Sieger und Verlierer" beim Stellenabbau unter den Ressorts herausstellten. Gleichwohl steht fest, dass Agrar- und Umweltminister Wolfgang Birthler überproportional stark vom Abbau der 8032 Stellen betroffen ist. Der Grund: Allein 935 Waldarbeiter müssen im Zuge der Forstreform gehen.
Zu den "Gewinnern" gehören hingegen die SPD-Minister Reiche (Bildung) und Meyer (Verkehr) sowie die CDU-Ressortchefs Wanka (Kultur und Hochschulen), Schelter (Justiz) sowie Schönbohm (Innen), die gegenüber den ursprünglichen AbbauPlanungen noch einen Zuschlag bekommen haben. So wird die Zahl der Stellen im Innenministerium bis 2005 "nur" um 735 auf 11 232 reduziert, ursprünglich sollten 60 Stellen mehr wegfallen. Schelter hat 30 zusätzliche Stellen für den Justizvollzug herausschlagen können. Bildungsminister Reiche sollte zwar wegen des dramatischen Schülerrückgangs die Lehrerstellen auf rund 21 000 abbauen, bekommt aber wieder 477 Stellen für die Bildungsoffensive hinzu. Die Hochschulen sind von den Stellenkürzungen weitgehend ausgenommen worden, Ministerin Wanka bekommt trotzem noch ein paar Stellen für den Denkmalschutz hinzu. Straßenbau und sonstige Infrastruktur sollen von Stellenkürzungen ebenfalls verschont bleiben, um den Wirtschaftstandort Brandenburg zu stärken.
Michael Mara