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Familienschicksal: Verschollen in Ägypten

Eine Mutter aus Lübben kämpft seit Monaten um ihre Tochter. Die einjährige Soraya wurde von ihrem Vater entführt.

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Cottbus - Es war die Liebe ihres Lebens, nun aber ist es ein Albtraum. Peggy Dierich aus dem brandenburgischen Lübben (Dahme-Spreewald) sucht ihre einjährige Tochter Soraya – aber in Ägypten. Soraya wurde entführt von ihrem Vater.

Alles begann vor drei Jahren. Im Internet lernt die 35-Jährige einen Ägypter kennen. Sie wird zum Urlaub an die Mittelmeerküste eingeladen, verliebt sich in den Mann und bleibt ein Jahr lang bei ihm in Alexandria. Selbst ihre Mutter Roswitha Dierich (53) findet dort den Mann toll. Dann wird Peggy Dierich schwanger. Ihr Freund schickt sie fort aus Ägypten, angeblich, weil er zur Armee müsse und dass es nicht gut sei in dem Land für eine alleinstehende deutsche Frau. Roswitha Dierich erzählt es so. Inzwischen glaubt sie das alles nicht mehr. „Das stimmt nicht. Das haben wir von seiner Familie erfahren. Sie sind angeekelt von dem, was er gemacht hat“, sagt die 53-jährige Cottbuserin. „Er musste Peggy loswerden, weil er keinen vorehelichen Sex haben darf.“

Peggy Dierich kehrt im Herbst 2009 zurück nach Lübben. Ihre Mutter richtet die neue Wohnung her, auch das Kinderzimmer, „mit einem Himmelbett, viel Rosa und schönen Möbel in weiß. So wie ich das immer haben wollte“. Anfang 2010 kommt Soraya zur Welt – schwarzes Haar, Pausbäckchen und auf den Familienfotos immer mit einem strahlenden Lächeln. Im Mai, das Mädchen ist ein Jahr alt, fährt Peggy Dierich wieder nach Ägypten. „Ein paar mal habe ich ihr abgeraten zu fliegen. Da konnte ich sie noch halten. Aber sie sagte, der Vater habe ein recht darauf, sein Kind zu sehen“. In Ägypten aber tobt seit Januar die Revolution, es gibt Straßenkämpfe zwischen koptischen Christen und ultrakonservativen Muslimen. Kein sicherer Ort zum leben. „Liebe macht blind“, sagte Roswitha Dierich.

Der Mann holt Peggy und Soraya am Flughafen ab, er hat Freunde dabei. Mit dem Wagen fahren sie durch Kairo, halten in einer Nebenstraße, dann heißt es: Ziel erreicht. Peggy Dierich steigt aus, will ihr Gepäck aus dem Kofferraum nehmen – plötzlich rast das Auto mitsamt ihrer Tochter los. Aus den ersten Stunden der Verzweiflung – sie irrt durch Kairo, bis Polizisten sie schließlich zur deutschen Botschaft führen – werden Wochen, Monate. Peggy Dierich ist immer noch in Ägypten. Erst am Dienstag bekam sie wieder eine Email – von dem Mann, den sie einst geliebt hat, dem Vater ihrer Tochter. Er ist immer dasselbe: Er will das Kind behalten, sie könne es sehen, aber er weiß nicht, was sie veranstaltet.

Peggy Dierich unternimmt viel. Von Cottbus aus versucht ihre Mutter alles. Das Auswärtige Amt ist eingeschaltet. „Die deutsche Botschaft hat sich mit Nachdruck gegenüber den ägyptischen Behörden für eine Unterstützung bei dem Auffinden des Kindes eingesetzt und wird dies auch weiter tun“, sagte ein Sprecher. Auch ein Anwalt ist auf Empfehlung der Botschaft aktiv. Der Kölner Oussama Al-Agi ist Spezialist für deutsch-arabische Rechtsprobleme. Bereits im Frühjahr hat er in einem ähnlichen Fall ein Kind zurück nach Deutschland geholt. Drei Mal war er jetzt in Ägypten, um Soraya zu finden. „Der Vater ist untergetaucht“, sagt er. „Und in der aktuellen politischen Lage ist nicht mit einer effektiven Staatsgewalt zu rechnen. Es herrscht Chaos.“ Die Behörden in Alexandria und Kairo fühlen sich nicht zuständig, „unkooperativ“, sagt Al-Agi. „Aber ich habe Hoffnung, das ist wie eine Geiselnahme. Mit der Zeit wird er aufgeben.“

In Cottbus ist sich Roswitha Dierich da nicht so sicher. „Der Vater will Soraya islamisch erziehen. Sie bedeutet mir alles, ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll“, sagt die Großmutter. 30 000 Euro hat sie bereits für den Anwalt bezahlt, jetzt ist sie blank. Der Anwalt will aber trotzdem weiter machen und ruft zu Spenden auf. Auch die Linksfraktion im Landtag hat sich mit dem Fall befasst und Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) um Unterstützung gebeten.

Der Fall ist auch deshalb so kompliziert, weil Ägypten nicht wie 84 andere Staaten dem Haager Kindesentführungsübereinkommen beigetreten ist, das solche Fälle bei binationalen Eltern regelt. Nun kommt es auf das Verhandlungsgeschick an. Pro Jahr zählt das Auswärtige Amt bis zu 120 solcher Fälle wie Soraya. Das Bundesamt für Justiz erfasste 2009 mehr als 600 Fälle von Kindesentzug nach dem Haager Abkommen, dem 84 Staaten beigetreten sind.

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