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Lauf, mach, geh, schnell! Die Eltern (l.) waren bereits bei der EM 2008 stolz.

© Steinert

Von Annette Kögel: Verstärkung aus der Heimat

Zur türkischen Nationalmannschaft gehört auch der Berliner Hakan Balta – er kickte bei Hertha

Stand:

Berlin - Die Türkei läuft heute mit Verstärkung aus Berlin im Olympiastadion auf. Hakan Balta, der hochgewachsene Spieler mit der Trikotnummer 3, kämpft auf dem Platz hinten links vorm Tor dafür, dass der Gegner den Ball nicht versenkt. Der türkische Nationalspieler ist in Charlottenburg groß geworden, aufs Gottfried-Keller-Gymnasiums gegangen, erzählt seine Mutter Nesibe Balta. Jetzt klingelt ihr Telefon: Hakan. Sie wollen sich gleich treffen, wenigstens kurz, im Hotel. Der Junge hat für die ganze Familie Karten besorgt, fürs ausverkaufte Stadion.

„Das wird ein aufregender Tag“, sagt Nesibe Balta, die in einer Kitaküche arbeitet. Schon Mittwochnacht hat sie kein Auge zugetan. „Ich habe meinen Mann nachts vom Flughafen abgeholt.“ Faruk Balta, 52, Maschinenschlosser, hat es aus dem Türkeiurlaub noch pünktlich zum EM-Qualifikationsspiel geschafft. „Da kommen ja auch Dutzende Politiker, Minister und deren Securityleute, das wird voll“, sagt die Mutter des 27-jährigen türkischen Superstars. Die Baltas treffen sich schon um halb sieben, um einen guten Sitzplatz zu bekommen.

Die Augen vieler werden sich aufs Stadion richten am heutigen Abend, aber auch auf das Public-Viewing-Fest am Oranienplatz in Kreuzberg. Die Deutschen gegen die Türken, und das zu einer Zeit, in der heftiger denn je über Integration gestritten wird. Ob es wieder ein Fußballfreudenfest auf dem Ku’damm in Schwarz-Rot-Gold-Weiß-Rot geben wird wie bei der EM 2008? Oder ob sich die Stimmung aufheizt, die Fans des Verliererteams ihren Frust womöglich gewalttätig ablassen?

„Also, ich fühle mich von dieser Diskussion um die Äußerungen von Sarrazin gar nicht angesprochen“, sagt die 50-jährige Mutter des türkischen Nationalspielers, die den Sommer gern in ihrer Gartenlaube in der Schöneberger Kolonie Wiesengrund verbringt. Ihr zweiter Sohn Tolga,21, macht gerade Fachabitur in Sozialwesen, Hakans Schwester Asli ist Werbekauffrau, die Kinder von Hakans Tante studieren oder machen ihr Abi. Hakan Balta, der Junge aus Berlin, musste sich jedenfalls in der Türkei erstmal integrieren. „Hakan hat hervorragend Deutsch gesprochen, viel besser als Türkisch.“ Das musste der ruhige Linksfüßler, der in Trainingspausen als Jugendlicher gern zur Playstation und zum Tennisschläger griff, erstmal richtig lernen. Hakan hat in Berlin auch schon immer bei deutschen Clubs gekickt. Mit dem Fußballspielen begann der Junge, als er sechs war, da hatte er mal eine Partie im Fernsehen geschaut. Das erste Dribbling absolvierte er beim CSV Charlottenburg, dann wechselte er zu Siemensstadt, spielte später bei den Reinickendorfer Füchsen und ging dann mit Trainer Michael Wolf zu Hertha. Mit der B-Jugend wurde Balta Deutscher Meister.

Vor sieben Jahren warb ihn das türkische Team Vestel Manisaspor ab, derzeit spielt Balta bei Galatasaray Istanbul. Sein vierjähriger Sohn Noah wird bei seiner Mutter in Berlin groß, der kleine Cagri, zwei, wächst bei Hakan und seiner zweiten Frau in der Türkei auf. Seit vier Jahren ist Hakan Balta Wahl-Istanbuler. In Berlin kennen ihn viele türkische Fans, „der war mal total süß, Hakan hat sich mal vor Freude einen Ball unters Trikot geschoben, als er Papa wurde“, sagt ein junger türkischer Fan in einer Schöneberger Bäckerei. Wenn Hertha damals einen deutschen Pass für den Berliner besorgt und sich Hakan Balta bewährt hätte, würde er heute vielleicht mit Mesut Özil in einem Team für Deutschland spielen.

Annette Kögel

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