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Geldverschwendung und leichtsinnige Investitionen. Ärzte diagnostizierten bei Fürniß eine manische Depression.

© Uwe Anspach/dpa

Brandenburg: Vertrauen von Freunden missbraucht

Im Prozess gegen Ex-Politiker Wolfgang Fürniß erzählten seine Opfer, wie sie verschaukelt wurden

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Heidelberg - Er war Wirtschaftsminister in Brandenburg. Jetzt steht Wolfgang Fürniß wegen 20-fachen Betruges vor dem Heidelberger Landgericht. Der 70-Jährige soll langjährige Bekannte und Freunde um eine halbe Million Euro geschädigt haben. Darunter ist Manfred Lautenschläger, Mitbegründer und Aufsichtsrat des Finanzdienstleisters MLP. Er hatte den Wahlkampf des CDU-Politikers finanziert, als dieser 1998 bei der Oberbürgermeisterwahl in Heidelberg kandidierte.

Fürniß habe ihn im Sommer 2013 um ein Darlehen über 25 000 Euro gebeten, berichtete Lautenschläger. Er sei todkrank, brauche das Geld dringend für eine Behandlung in den USA und werde sonst sterben, habe Fürniß gesagt. Ihm sei das seltsam vorgekommen, so Lautenschläger. Doch er zahlte aus einem Grund: „Ich wäre mir dreckig vorgekommen, wenn ich ihm nicht geholfen hätte.“ Im Todesfall hätte er sich Vorwürfe gemacht, sagte der 76-Jährige. Fürniß zahlte das Geld nicht wie versprochen nach einem Monat zurück und hielt den Gläubiger mehrfach hin., laut Lautenschläger ein „absurdes Theater“. Er selber habe „geschwankt zwischen Lachen und Zorn“ und kam zu der Einsicht: „Der hat einen Schuss.“

Den Verlust des Geldes kann der Multimillionär verschmerzen, andere trifft es härter. Ein junger Mann hat sogar einen Kredit aufgenommen, um Fürniß 40 000 Euro geben zu können. Für ein angebliches Börsenprojekt mit einer Rendite von 30 Prozent – in 15 Monaten. Keinen Cent habe er bisher gesehen, dafür zahlt er monatlich 375 Euro für den Kredit ab, sagte der Mechaniker. Auch sein Cousin in der Türkei habe Fürniß 40 000 Euro überwiesen. Während der Zeugenaussage hielt der Angeklagte seine Hände vor das Gesicht und sagte dann: „Ich habe keine Wiedergutmachung geleistet. Ich hatte keine Luft und so viele Verpflichtungen.“

Dass der 70-Jährige die letzten Jahre offenbar völlig von der Rolle war, zeigt die Aussage seines Nachbarn in Wiesloch. Beide wohnten 37 Jahre nebeneinander und waren befreundet. Doch im Sommer 2013 ereignete sich etwas Merkwürdiges: Als der Nachbar gerade wegfahren wollte, habe Fürniß an die Autoscheibe geklopft. „Er wollte 40 000 Euro für lebenswichtige Medikamente aus den USA“, berichtete der Zeuge. Ein Jahr später habe er bei ihm geläutet und um weitere 4000 Euro gebeten. „Sein Sohn müsste sonst in Haft“, erinnerte sich der Zeuge. Geld habe er ihm jedoch nicht gegeben. Im Gegensatz zu mindestens zwölf Personen, die Fürniß vertrauten. Die Zahl der Opfer dürfte noch höher sein, da nicht alle Anzeige erstatteten und einiges bereits verjährt ist.

Dass ihre Freundschaft missbraucht wurde, schmerzt manche mehr als der Verlust des Geldes. „Ich habe ihm blind vertraut“, berichtete ein 70-Jähriger. Der Architekt war seit den 60er-Jahren mit Fürniß befreundet. Über 50 000 Euro habe er ihm gegeben, 76 000 Euro sollte er später zurückbekommen. Die Rendite sollte mit dem Transport von Kupfer aus Afrika nach China erwirtschaftet werden. Fürniß habe dies „glaubhaft rübergebracht“. Offenbar war es gelogen, wie alles andere.

„Es belastet mich, dass er die Freundschaft so missbraucht hat“, sagte ein 80-Jähriger, der 10 000 Euro einbüßte. „Ich hatte großes Vertrauen, sein Name hat mir viel bedeutet“, so ein 76-Jähriger, Mitglied im Lions Club wie Fürniß. Besonders krass ist der letzte Fall der Anklage. Fürniß war im Mai 2014 Patient in einer Klinik in Wolfach im Schwarzwald. Dort soll er einen Parkinsonkranken um 18 000 Euro angepumpt haben – angeblich für die Rettung politisch Verfolgter. Laut Anklage überwies der Mann rund 1500 Euro an Fürniß und beantragte zudem einen Bankkredit. Die Familie konnte Letzteres jedoch verhinderten. Die Frau des Geschädigten ist sich bei dem Angeklagten sicher: „Er weiß genau, was er tut.“

Doch das ist fraglich. Ärzte diagnostizierten 2014 bei Fürniß eine manische Depression. Geldverschwendung und leichtsinnige Investitionen sind Symptome dieser seelischen Störung. Dazu könnte passen, dass er jahrelang über seine Verhältnisse gelebt hat. So besaß er mehrere Immobilien, auch im Ausland. „Da hätte er das Dreifache verdienen müssen“, meinte gestern ein Wieslocher Bürger, der um 10 000 geprellt wurde. „Er hat versucht, mit den Großen zu leben und hat das Geld dazu nicht gehabt“, so der 68-Jährige.

Fürniß war 2002 als Wirtschaftsminister zurückgetreten, weil er eine Million Euro von einem Scheich angenommen hatte, um Schulden zu bezahlen. Ulrich Willenberg

Ulrich Willenberg

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