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Familiendrama in Gatow: Verzweiflungstat aus Angst vor dem Abstieg

Ein 69-jähriger Spandauer tötete seine Frau, seine beiden Söhne und sich selbst. Nur seine Tochter legte er in einer Babyklappe ab. Die Nachbarn sind fassungslos. Sie beschreiben den Familienvater als kontrolliert und fürsorglich. Zuletzt hatte die Familie sogar einen Grund zum Feiern.

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Berlin-Gatow - Vor dem Hauseingang in Alt-Gatow wiesen gestern Kerzen, Blumen, eine Zeichnung und Spielzeug auf das am Vortag entdeckte Drama hin. Hausbewohner blieben kurz stehen, Freundinnen der 28-jährigen Toten nahmen mit Tränen in den Augen Abschied, Nachbarn schüttelten immer wieder den Kopf über den Tod der vier Menschen. Vor allem das Schicksal der beiden Kinder bewegt die Menschen in dieser ruhigen Spandauer Gegend direkt an der Havel.

Wie berichtet, hatte ein 69-jähriger Familienvater in Alt-Gatow zuerst die drei und sechs Jahre alten Söhne und danach seine 40 Jahre jüngere Frau umgebracht und anschließend sich selbst getötet.

Vor seinem Suizid fuhr der Wirtschaftsberater mit seinem knapp ein Jahr alten Baby ins Waldkrankenhaus Spandau, wo er den Säugling in eine Babyklappe legte.

Während die Polizei die Wohnung untersucht und auf das Ergebnis der Obduktion der vier Leichen wartet, erinnerten sich Nachbarn des Paares an viele Details der letzten Zeit. „Am Sonnabend fand auf der großen Wiese am Wasser noch eine ziemlich große Party statt“, sagte Denis Bergemann, der in dem Mehrfamilienhaus den Balkon mit der nun bis auf das Baby ausgelöschten Familie teilte. „Da wurde wohl die Einschulung des sechsjährigen Jungen nachträglich gefeiert. Jedenfalls waren eine Menge Kinder und Erwachsene am und im Festzelt.“ Am Sonntagnachmittag habe er dann den 69-jährigen Familienvater Kristian B. allein auf einem Stuhl am Wasser entdeckt. „Der wirkte ziemlich apathisch und nachdenklich. Vielleicht waren die Kinder und ihre Mutter zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben.“ Von ihnen sei jedenfalls nichts zu sehen gewesen.

Andere Nachbarn beschrieben den Vater als einen „sehr kontrolliert wirkenden Mann“, der alle Dinge im Leben bis in den letzten Punkt geplant habe. „Er war ein ganz freundlicher Herr, der sich sehr um seine Kinder gekümmert hat“, meint Rainer Scholz aus dem Nachbarhaus. „Fast täglich spielte er mit den Jungs auf der Wiese am Wasser.“ Dort baute er für seine Kinder sogar einen kleinen Spielplatz mit einem Trampolin. „Er hatte schon zwei Ehen hinter sich, erwachsene Kinder und wollte mit der 40 Jahre jüngeren Frau noch einmal durchstarten“, sagt ein anderer Mieter. Allerdings habe sich der Wirtschaftsberater, der vor sieben Jahren in das Haus gezogen war, mit seinen Geschäften verspekuliert. Vor einigen Jahren sei er im Haus unterwegs gewesen und habe für Immobilienkäufe in den früheren Wohnvierteln der amerikanischen Militärs in Zehlendorf geworben. „Da versprach er große Gewinne“, erinnerte sich der Mann. „Doch aus dem Traum wurde nichts. Zuletzt plagten ihn 20 000 Euro Mietschulden. Das hat er jedenfalls mal gesagt.“

In dem Mietshaus nutzte Kristian B. ein Büro im Keller für seine Geschäfte, wie aus dem Klingelschild hervorgeht. Nach Aussagen von Mietern hatte der Mann sich in letzter Zeit laut darüber beschwert, dass die Miete für das Büro von 150 auf 350 Euro erhöht worden sei. Deshalb habe er ausziehen wollen. Der Blick in den in der Nähe des Hauseinganges abgestellten Mercedes-Bus der Familie bestätigt diese Angaben. Neben zwei Kindersitzen und Plüschtieren fanden sich Kisten voller Computertechnik und Büromaterialien. Kristian B. wollte oder musste sich offenbar sowohl ein neues Büro als auch ein neues Zuhause für seine Familie suchen.

Die Miete in der Gegend liegt für eine Drei-Zimmer-Wohnung bei rund 1 200 Euro. In Kürze sollten hier Eigentumswohnungen für rund 300 000 Euro pro 100 Quadratmeter entstehen. Unter den Mietern gab es deshalb am Motiv für die Tat kaum Zweifel. „Er hat immer davon gesprochen, wie herrlich es hier an der Havel sei. Er fühlte sich richtig wohl“, sagte eine ältere Dame. „Wahrscheinlich hat ihn der Kummer über den bevorstehenden Verlust dieser Idylle zu diesem Verzweiflungsakt getrieben.“ Das könnte auch erklären, warum er das Baby noch ins Krankenhaus brachte. Das Kleinkind konnte vielleicht in den Augen des Täters noch nicht bewusst die Vorzüge dieser Wohngegend genossen haben und deshalb weiterleben dürfen – als Vollwaise.

Die Ermittler der Mordkommission arbeiten indessen intensiv an der Aufklärung der Tat. Ein Nachbar hatte am späten Montagabend die Feuerwehr und die Polizei verständigt. Die Fenster hätten lange Zeit offen gestanden. Außerdem habe das Auto nicht auf dem gemieteten Parkplatz gestanden und der Schlüssel im Briefkasten gelegen. Die Beamten brachen schließlich die Wohnungstür auf und fanden die vier Toten. Dem jüngsten Kind, das B. vor seinem Suizid in einer Babyklappe abgelegt hatte, soll es nach Angaben der Polizei gut gehen. „Der Mann hat einen Abschiedsbrief hinterlassen,“ sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. „Über den Inhalt sagen wir noch nichts.“ Wie es aus Ermittlerkreisen aber hieß, soll der Brief eine genaue Chronologie der Abläufe enthalten. Es soll auch von Schulden die Rede sein. Offensichtlich sind die beiden Kinder und die Frau erstickt worden. Über die Todesumstände des Täters wurde nichts mitgeteilt.

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