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Brandenburg: „Viel geht für Drogen drauf“ Ein Straßenkind erzählt, was den Betroffenen hilft

Sophia, Sie haben den Straßenkinder-Kongress mit vorbereitet, der am Wochenende in Berlin stattfindet. Leben Sie selbst auch auf der Straße?

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Sophia, Sie haben den Straßenkinder-Kongress mit vorbereitet, der am Wochenende in Berlin stattfindet. Leben Sie selbst auch auf der Straße?

Direkt auf der Straße habe ich selten übernachtet, aber seit ich 19 bin, war ich mehr oder weniger wohnunglos. Ich habe meistens bei verschiedenen Bekannten übernachtet. Die Notplätze, die es für Obdachlose gibt, sind oft nicht besonders gut auf Jugendliche eingestellt. Zwischendurch war ich in einem Wohnprojekt. Jetzt mache ich ein Praktikum bei einem sozialen Träger in Brandenburg. Wenn ich in Berlin bin, schlafe ich mal bei meiner Mutter und mal bei meiner Schwester.

Warum sind Sie auf die Straße gegangen?

Es gab so viele Streitigkeiten zu Hause. Als es einmal – nach meiner damaligen Empfindung – richtig heftig war, bin ich gegangen. Ich war zu der Zeit in einer Ausbildung, kam dann mit Drogen in Berührung. Die Ausbildung konnte ich nicht abschließen. Auf der Straße war ich meistens bei den Punks.

Haben Sie kein Hartz IV bekommen?

Nein, das ist ja ein großes Problem für viele Straßenkinder. Die Jugendhilfe greift oft nur bis 18 oder 21 Jahre, Hartz IV wird aber erst für Leute ab 25 gezahlt. Davor sagt das Amt, dass man zu Hause wohnen muss, bei der Familie als Bedarfsgemeinschaft.

Wie sah ein typischer Tag auf der Straße für Sie aus?

Ich bin früh aufgestanden, wo auch immer ich gerade übernachtet habe. Dann fängt man an zu schnorren, fragt Passanten nach Zigaretten oder Geld. Viel geht für Alkohol oder Drogen drauf. Dann sucht man vielleicht einen der Fressbusse. Das sind mobile Essenausgaben der Jugendhilfe, die an zentralen Plätzen auftauchen. Und dann hält man nach dem nächsten Schlafplatz Ausschau.

Wie verbreitet sind Drogen und Alkohol bei Straßenkindern?

Fast alle haben damit Probleme. Ich kenne nur ganz wenige, die gar nichts nehmen. Je jünger die Leute sind, desto schneller rutschen sie in harte Drogen ab. Ich selbst habe auch alles durch, bis auf Crystal Meth. Inzwischen nehme ich aber keine Drogen mehr.

Was hätte Ihnen damals geholfen?

Mir hätte es geholfen, wenn die Hilfe individueller auf mich zugeschnitten gewesen wäre. Jede Stelle und Behörde hatte ihre Pläne und Vorschriften, wie weit die Hilfe geht. In Dänemark bekommt ein Jugendlicher einen festen Sozialarbeiter zugeteilt, der einen so lange begleitet, bis man Lösungen gefunden hat, und zwar egal wie lange es dauert. Und es wäre toll, wenn man von der Gesellschaft nicht so abgestempelt würde. Es hilft viel mehr, wenn Leute einem etwas zutrauen.

Das Gespräch führte Sylvia Vogt.

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