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Brandenburg: „Viele Leute haben etwas intus“

Mehrere Menschen sind beim Baden gestorben. Ein Rettungsschwimmer erzählt aus seinem Alltag

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Binnen weniger Tage sind sechs Menschen in Berlin und Brandenburg beim Baden ums Leben gekommen. Am Mittwoch ist ein 38 Jahre alter Mann tot aus der Müggelspree geborgen worden. Er war ins Wasser gesprungen und nicht mehr aufgetaucht. Rettungsschimmer konnten ihn nur noch tot bergen. Am Samstag war ein 35-Jähriger im Plötzensee in Berlin-Wedding ertrunken. Schon am vergangenen Freitag starb ein 23-Jähriger im Schwimmbecken des Badeschiffs in Berlin-Treptow. In Brandenburg starben ein 60-Jähriger in Rathenow und ein 69-Jähriger in Oranienburg und ein 76-jähriger Mann in Fürstenberg/Havel beim Schwimmen. Sie hatten Schwäche- oder Herzanfälle erlitten. Schwer verletzt wurde am Mittwoch zudem bei einem Kopfsprung ins seichte Wasser des Motzener Sees in Kallinchen (Teltow-Fläming) ein 22-Jähriger. Er sei nun wahrscheinlich gelähmt, teilte die Polizei mit.

Wir haben bei einem Experten zu den Gefahren beim Baden nachgefragt.

Herr Weitzmann, Sie sind Rettungsschwimmer und Einsatzleiter beim Roten Kreuz am Wannsee. Wenn Sie einen Menschen ertrinken sehen, zählt da jede Sekunde?

Wir bekommen beigebracht, immer zuerst fünf Sekunden durchzuatmen und dann den Notruf abzusetzen. Erst dann gehen wir ins Wasser. Ertrinkende entwickeln in ihrer Stresssituation ungeheure Kräfte. Es können selbst Kinder einen ausgebildeten Rettungsschwimmer unter Wasser ziehen. Im Normalfall sind wir trotzdem in der Lage, innerhalb von zwei Minuten da zu sein, wenn wir die betroffenen Person sehen. Die kriegen wir immer heil aus dem Wasser, das ist Handwerk.

Und wer unbemerkt untergeht, hat kaum Überlebenschancen?

Ganz so kann man das nicht sehen. Wir haben bei warmen Wassertemperaturen bis zu 45 Minuten nach dem Ertrinken die Chance einer Reanimation. Allerdings müssen wir die Personen im Wasser eben finden, was das Schwierigste ist.

Damit hängen Sie dann von den Angaben der Beobachter am Ufer ab?

Ganz genau. Präzise Ortsangaben sind sehr wichtig für uns. Wir suchen im Zweifel immer, auch wenn nicht sicher ist, ob eine vermisste Person im Wasser ist. Einmal ist uns bei Gatow in der Havel passiert, dass wir zwei Stunden lang mit Booten alles abgesucht haben, weil ein verlassenes Handtuch abends noch an der Badestelle lag. Dabei saß die gesuchte Person überm Ufer beim Italiener und hat uns zugesehen. Das war Zeitverschwendung.

Jetzt gab es innerhalb der letzten Woche sechs Tote. Beunruhigt Sie das nicht?

Eigentlich nicht. Das ist immer saisontypisch. Die Zahlen steigen mit der Masse an Badegästen an heißen Tagen. Die tödlichen Fälle sind meist kreislaufbedingt. Wenn man etwa einen Herzinfarkt bekommt, geht man einfach unter, ohne sich bemerkbar machen zu können. Herzinfarkte sind im Wasser übrigens nicht einmal wahrscheinlicher als an Land, nur eben viel gefährlicher. Ein weiteres auffälliges Problem in Berlin ist das viele Trinken von Alkohol beim Baden. Betrunken kann man einfachste Situationen im Wasser nicht mehr meistern. Die Mehrzahl unserer Einsätze ist nachmittags und abends – und sehr oft haben die Leute etwas intus.

Stimmt es eigentlich, dass Kinder immer schlechter schwimmen?

Ja, das ist mein Eindruck. Zu uns kommen die Eltern von Zehnjährigen, die nicht schwimmen können. Das ist verbreitet. Normalerweise sollten Sechsjährige ausreichend schwimmen können.

Die Fragen stellte Tassilo Hummel.

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