Brandenburg: „Viele weinen ihm keine Träne nach“ Für Berliner Spar-Opfer wäre Sarrazins Abgang eine willkommene Revanche
Berlin - Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wegen der Tempodrom-Affäre auf der Anklagebank: Für nicht wenige Hauptstädter wäre das vermutlich eine Genugtuung. Wie kaum ein anderes Mitglied des rot-roten Senats hat der oberste Kassenwart seit seinem Amtsantritt Anfang 2002 das Feuer auf sich gezogen.
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Berlin - Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) wegen der Tempodrom-Affäre auf der Anklagebank: Für nicht wenige Hauptstädter wäre das vermutlich eine Genugtuung. Wie kaum ein anderes Mitglied des rot-roten Senats hat der oberste Kassenwart seit seinem Amtsantritt Anfang 2002 das Feuer auf sich gezogen. Bei zahllosen Protestdemonstrationen wurde er für seinen rigiden Sparkurs an den Pranger gestellt und in Meinungsumfragen gehörte er regelmäßig zu den unbeliebtesten Berliner Politikern. Ob Schulen, Polizei, Wissenschaft, Sozialbereich oder Kulturszene - in fast allen Bereichen wurde in den vergangenen Jahren kräftig der Rotstift angesetzt. Wäre es allein nach Sarrazin gegangen, hätten eine Universität, eine Oper und der Tierpark schließen müssen. Mit seinen maßlosen Forderungen lieferte der SPD-Politiker nicht nur dem politischen Gegner Zündstoff – er brachte auch mehrfach die eigene Partei gegen sich auf. Hinter vorgehaltener Hand warfen die Genossen ihrem widerspenstigen Mitstreiter mangelndes politisches Gespür vor. Besonders unter den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dürfte der Hardliner in Sachen Sparen nicht viele Freunde haben. Immerhin wurden den Landesdienern mit teils beträchtlichen Gehaltseinbußen und Zwangsversetzungen Opfer in zuvor nie gekanntem Ausmaß abverlangt. Das brachte wiederum die Gewerkschaften auf die Palme, die den Anfang vom Ende eines lange gehüteten Biotops witterten. Stärker noch als die Harte in der Sache werden Sarrazin aber wohl sein spröder Charme und die fehlende Sensibilität angelastet. Unter den Gewerkschaften machte das Wort vom „rauen Klotz“ die Runde. Statt die selbst unter erheblichem Druck stehenden Arbeitnehmer sachlich und mit Feingefühl für den Sparkurs zu gewinnen, griff der Politiker gern zu „klaren Worten“ – etwa über „übel riechende“ und „faule Beamte“, die so nicht gefallen sein sollen, ihm aber anhängen. Obwohl zwischen Senat und Gewerkschaften wegen der Spannungen zeitweise weitgehend Funkstille herrschte, halten sich die Spitzen der Arbeitnehmervertreter in der aktuellen Tempodrom-Krise mit Häme oder gar Rücktrittsforderungen an Sarrazin zurück. DGB-Vizelandeschef Bernd Rissmann hält nichts von „billigem Applaus“. Trotz heftiger Auseinandersetzungen in der Vergangenheit müsse für Sarrazin die Unschuldsvermutung gelten. Aber an der Basis würden sich „einige die Hände reiben“. Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kann Sarrazin aber kaum auf Mitgefühl hoffen. Hätte der Senator Stil, würde er zurücktreten, so GdP-Sprecher Klaus Eisenreich. Von den rund 16 000 Mitgliedern des Landesverbandes würden Sarrazin jedenfalls viele keine Träne nachweinen. Christina Schultze
Christina Schultze
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