Brandenburg: Voll geflutet, halb entschädigt
Die Flutung der Havelpolder verhinderte eine Hochwasserkatastrophe. Doch für betroffene Bauern gibt es nur eine 50-prozentige Entschädigung. Im Staatsvertrag für die Polder fehlte sogar eine Hilfsregelung
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Potsdam - Brandenburgs Bauern in den Havelpoldern fühlen sich verschaukelt: Erst haben sie während des Hochwassers durch die Flutung ihrer Felder Anwohner entlang der Elbe vor Schlimmerem bewahrt, jetzt sollen sie auf der Hälfte ihrer Schäden sitzen bleiben. Als „bodenlose Frechheit“ hat der Bauernbund Brandenburg die Ankündigung des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums bezeichnet, in den gefluteten Poldern lediglich 50 Prozent der Ertragsausfälle entschädigen zu wollen. „Die gezielt herbeigeführte Überflutung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist keine Naturkatstrophe, sondern eindeutig eine Maßnahme des Katastrophenschutzes“, erklärte Bauernbund-Vorstandsmitglied Lutz Wercham am Montag. Auch der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Udo Folgart, kritisierte das Entschädigungsangebot als zu gering: „50 Prozent sind keine angemessene Entschädigung. Eine volle Entschädigung muss gewährt werden.“
Wie berichtet hatte die brandenburgische Landesregierung auf dem Höhepunkt der Hochwasserbedrohung an der Elbe vor wenigen Wochen nach Absprache mit den anderen Bundesländern entlang der Elbe und den betroffenen Landwirten die sogenannten Havelpolder geflutet, um ein weiteres Ansteigen der Pegel zu verhindern. Insgesamt 50 Millionen Kubikmeter Elbewasser wurden in den Rückstauflächen geparkt. Während die Bauern zumindest noch ihr Vieh und eine geringe Menge an Noternte vor der Flutung in Sicherheit bringen konnten, muss insgesamt mit erheblichen Ausfällen gerechnet werden. Nach wie vor steht auf einigen Äckern das Wasser, an eine reguläre Ernte ist in diesem Jahr nicht mehr zu denken. Insgesamt beziffert die Landesregierung die Flutschäden der Landwirte Brandenburgs mit rund 40 Millionen Euro, wenigstens 35 000 Hektar Agrarfläche wurden überschwemmt, im Havelland sind es 7500. Eine genau Schadensbilanz in den Havelpoldern liegt laut Landesbauernverband noch nicht vor. Entschädigt werden sollen die von der Flut betroffenen Landwirte mit einem Soforthilfe-Programm des Bundes und der Länder, bei dem jede Seite die Hälfte trägt. Am gestrigen Montag hat die Bundesrgegierung den Weg für das gemeinsame Hilfspaket freigemacht. Nun müssen die Länder mit dem Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz jeweils eine entsprechende Verwaltungsverreinbarung schließen.
Die Flutung hält der Bauernbund, der vornehmlich bäuerliche Familienbetriebe vetritt, zwar für richtig, nur dürften die Kosten nicht einzelnen Landwirten aufgebürdet werden, so Wercham. „Das wäre so, wie wenn das Land im Baumarkt Sandsäcke besorgt und an der Kasse erklärt, dass es später vielleicht mal die Hälfte bezahlt.“ Bauernverbandspräsident Folgart sieht das ähnlich. „Der Verlust der Landwirte, der durch eine von Menschenhand angesetzte Flutung entstanden ist, muss ersetzt werden“, meinte Folgart. Zudem müsse endlich eine dauerhafte Entschädigungs-Vereinbarung für die Polder-Bauern verabredet werden. Nach dem Elbe-Hochwasser von 2002, bei dem die Polder bereits das erste Mal erfolgreich geflutet worden waren, habe man zwar 2008 einen länderübergreifenden Staatsvertrag für den Ernstfall geschlossen, die Frage der Entschädigung aber ausgeklammert. „Das muss jetzt dringend nachgeholt werden“, so der Präsident des Landesbauernverbandes.
Kritik an dem Angebot des Landes übte am Montag auch der CDU-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag, Dieter Dombrowski. „Ich fordere Minister Vogelsänger auf zügig Klarheit für die Betroffenen zu schaffen. Angekündigt wurde bisher viel, erreicht aber nur wenig. Die Landwirte der Havelregion haben mit der Flutung ihrer Flächen Schlimmeres für andere Elbanlieger verhindert. Es kann nicht sein, dass sie jetzt dafür bestraft werden“, so der CDU-Politiker.
Im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium hat man kein Verständnis für die Kritik. „Man muss eben auch mal in die Richtline gucken, die heute von der Bundesregierung verabschiedet worden ist. Dort heißt es, dass in Härtefällen auch höher entschädigt werden kann“, sagte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Sogar bis zu 100 Prozent seien möglich. Zudem habe sich das nicht „die böse rot-rote Landesregierung ausgedacht, um Landwirte zu ärgern“, sondern die Regelung gelte auch für betroffene Bauern in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, sagte Schade. Dass es bislang keine grundsätzliche Regelung zur Entschädigung in den Havelpoldern gebe, erläutert der Ministeriumssprecher mit den damaligen Verhandlungen zum Havelpolder-Staatsvertrag. „Es ist damals nicht gelungen, mit den anderen Unterliegern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen eine Entschädigungsregelung zu vereinbaren.“ Letztlich habe man es dabei belassen, dass die Entschädigung Ländersache bleibe, so Schade.
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