Brandenburg: Vom Scheitern erleichert
Vor zehn Jahren trommelten Experten für die Länderehe – heute sagen sie, es hätte mehr Probleme gegeben
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Berlin/Potsdam - Brandenburgs Politik ist sich noch immer uneins über einen neuen Anlauf zur Länderfusion mit Berlin und in der Bundeshauptstadt wird den Märkern noch immer nachgetragen, dass an deren Votum vor genau zehn Jahren der erste Anlauf zur Vereinigung gescheitert ist. Was hatten sich Politiker und Wirtschaftsexperten nicht alles von der Länderehe versprochen: Geringere Kosten, eine schlankere Verwaltung, eine Ansiedlungspolitik ohne Konkurrenz. Doch heute, zehn Jahre später, trauert ihr zumindest kaum ein Wirtschaftsexperte nach.
Dieter Vesper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt, mit der Ländervereinigung wären die finanziellen Probleme von Berlin-Brandenburg nicht kleiner, sondern eher noch größer geworden. Helmut Seitz, Professor für Finanzpolitik an der TU Dresden, rügt die „stümperhafte finanzpolitische Vorbereitung“ der Fusion: „Man kann froh sein, dass sie gescheitert ist, sie hätte die Region in eine finanzielle Katastrophe geführt.“ Auch Klaus Schroeder, Politologe an der FU Berlin und vor zehn Jahren Fusionsbefürworter, bezweifelt mittlerweile, dass ein gemeinsames Land in der damals geplanten Form wirklich die erhofften Vorteile gebracht hätte.
Besonders nachteilig wäre aus Sicht der Fachleute gewesen, dass Berlin im Jahr 2013, ein paar Jahre nach der Fusion, das so genannte Stadtstaatenprivileg verloren hätte. Das ist eine Geldleistung aus dem Länderfinanzausgleich, die Stadtstaaten dafür erhalten, dass die umgebenden Flächenländer von ihrem Angebot an großstädtischer Infrastruktur profitieren. Das gemeinsame Land hätte nach der Fusion noch bis 2013 von dem Privileg profitieren sollen, und zwar mit 2,5 Milliarden Euro jährlich. Der anschließende Wegfall dieser Summe jedoch wäre, meint Seitz, „nicht tragbar gewesen“. Das fusionierte Bundesland hätte diesen Verlust nur dadurch ausgleichen können, dass es weniger Aufgaben übernimmt und weniger Geld ausgibt, sagt Vesper. Dass es dazu gekommen wäre, „wage ich zu bezweifeln“. Die Ersparnisse, die eine effizientere Verwaltung gebracht hätte, hätten zur Kompensation wohl auch nicht gereicht. Finanziell gesehen, wäre der größte Vorteil der Fusion wohl das positive Image des neuen Landes gewesen, sagt der Finanzexperte: Zwei Regierungen, die eine werden – das atmet den Geist von Reformfreude und Erneuerungskraft.
Für Klaus Schroeder hätte die Fusion der Schlüssel sein können zu einer Neuordnung des Föderalismus. Auch hätte die Region zum Beispiel für Industrieansiedlungen an Bedeutung gewonnen. Finanziell wäre das gemeinsame Land aber noch mehr verschuldet, „eine kleine DDR unter SPD-PDS-Regierung“, wie Schroeder spottet. Seine ambivalente Bilanz: „Zwei Fußkranke zusammen müssen nicht unbedingt besser laufen, sie können auch umfallen.“
Trotz aller Kritik an den damaligen Plänen wäre ein neuer Fusionsversuch aus Sicht der Experten durchaus zu empfehlen – aber auf besser geplanter Grundlage. „Die Fusion wird kommen, schon weil sie aus ökonomischen Gründen dringend nötig ist“, sagt Helmut Seitz.
Doch für einen neuen Versuch, sich doch noch zu einem Land zu vereinen, müsste die Initiative nach Meinung der Berliner Regierungsparteien aus Brandenburg kommen. Darin sind sich Berlins SPD-Chef Michael Müller und die Partei- und Fraktionschefs der Linkspartei/PDS, Klaus Lederer und Stefan Liebich, einig. Auch Senatssprecher Günter Kolodziej macht den Willen beider Länder zur Voraussetzung für einen neuen Anlauf, den die Landesregierung generell befürwortet.
Der Impuls müsste aus Brandenburg kommen, weil es hier bisher in den Umfragen keine ausreichende Akzeptanz gebe, sagte Müller. Für Berlin sei der Zusammenschluss nach wie vor „zentrales Anliegen“, vor allem aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen. Er äußerte sich jedoch skeptisch, dass die „Akteure in Brandenburg“ derzeit bereit seien, ernsthaft für das Projekt zu werben.Als möglichen Termin für eine erneute Volksabstimmung nennt Müller 2009, parallel zur Bundestagswahl. Zwei Jahre später könnte die Fusion vollzogen werden. Berlin werde sich mit Vorschlägen aber zurückhalten. PDS-Landeschef Lederer plädierte für einen neuen Anlauf nur unter der Bedingung, dass zuvor der finanzielle Status des neuen Landes und der Inhalt der neuen Verfassung geklärt seien. Zuvor sei es nicht sinnvoll, über Zeitpläne zu reden.
Die Hauptstadt-CDU dagegen will für einen neuen Anlauf nicht allein auf die Initiative aus Brandenburg warten. „Wir müssen weiter Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Fraktionschef Nicolas Zimmer. Nach den Wahlen im Herbst sollten die Parlamente beider Länder einen neuen Start wagen.
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