Brandenburg: Vom Tempodrom ins Kloster
Irene Moessinger zieht sich aus Veranstaltungsgeschäft zurück / Kritik am Verkauf
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Irene Moessinger zieht sich aus Veranstaltungsgeschäft zurück / Kritik am Verkauf Berlin - Die Macher der alternativen Berliner Kulturstätte Tempodrom ziehen sich mit dem Verkauf der Arena komplett zurück. Die Gründerin des Zeltbaus am Anhalter-Bahnhof, Irene Moessinger, und ihr Geschäftspartner Norbert Waehl stehen auch nicht für eine Beratung der neuen Eigentümer zur Verfügung. Sie bezweifeln die Kompetenz der bisher auf das Hotelgewerbe spezialisierten Münchner Unternehmensberatung Treugast, die das Haus ab August übernehmen wird. Zugleich kritisieren sie die Kündigung von rund drei Vierteln der 34 Mitarbeiter der Veranstaltungs GmbH. „Wir machen einen klaren Schnitt“, sagte Moessinger gestern in einer Abschieds-Pressekonferenz. Für das, was jetzt komme, wolle sie keine Verantwortung mehr übernehmen. Die ehemalige Krankenschwester hatte 1980 aus Mitteln einer Erbschaft das Tempodrom gegründet, das zunächst am Potsdamer Platz und später im Tiergarten sein Domizil hatte. Im Zuge der Bebauung des Regierungsviertels musste die Arena weichen. 2001 wurde der Neubau am Anhalter Bahnhof eingeweiht, der jedoch mit rund 30 Millionen Euro fast doppelt so teuer wurde wie ursprünglich geplant. Nach mehreren millionenschweren staatlichen Finanzspritzen verweigerte der Senat 2003 weitere Zuschüsse. Ein Verkauf scheiterte jedoch, so dass das Tempodrom ein Jahr darauf Insolvenz anmelden musste. Erst auf Nachfrage bedauerte Moessinger die Kostenexplosion, die zu der schwierigen Lage geführt habe. Die Kontrolle über die Einhaltung der Vorgaben habe sie jedoch nicht leisten können. Dagegen weist der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der seit 2004 die Hintergründe der Tempodrom-Pleite aufzuklären versucht, Moessinger und Waehl eine erheblich Mitverantwortung für den Anstieg der Ausgaben zu. Beide haben demnach mit Luxuswünschen bei der Ausstattung des Hauses an der Preisschraube gedreht. Moessinger will davon offenbar nichts wissen. „Wir haben unser Bestes gegeben, um die Kulturstätte trotz der Insolvenz am Laufen zu halten“, sagte sie. Wichtig sei ihr, dass sie einen „funktionierenden Betrieb“ an Treugast übergebe, der auch international gut vermarktet sei. Bereits jetzt lägen bis Ende März 2006 Buchungen für 160 Veranstaltungen vor. Die beiden Geschäftsführer der GmbH seien in die Entscheidung des Verkaufs nicht eingebunden worden, kritisierte Waehl. Es gebe viele offene Fragen, darunter zur Kompetenz des Eigentümers und zu dessen Konzeption. Besonders bedrückend ist für die scheidenden Geschäftsführer die Entlassung des Großteils der Mitarbeiter. Lediglich neun hätten ein Angebot zur Übernahme erhalten. Moessinger selbst will sich eine Auszeit nehmen. Sie verlasse Berlin und gehe in ein Kloster. Dort werde sie ein Buch schreiben, in dem es auch um ihre Erfahrungen mit dem Tempodrom gehe, kündigte sie an. Ein Angebot liege ihr bereits vor. Auch Waehl kehrt der Hauptstadt den Rücken. Moessinger schloss zumindest nicht aus, später wieder nach Berlin zu kommen, weil sie dort ihre Wurzeln habe.
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