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Von Eva Kalwa: Von Prenzlberg zu Lindenberg
Thomas Brussig schreibt das Buch zum Udo-Musical. Und das, obwohl er mit dem Genre eigentlich nichts am Hut hat
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Berlin - Als im Mai 2007 das Telefon klingelt, glaubt Thomas Brussig zunächst, es mit einem Ulk-Anruf zu tun zu haben. Doch dann wird dem Berliner Autor („Helden wie wir“, „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“) klar, dass wirklich Udo Lindenberg und nicht ein Stimmenimitator am anderen Ende der Leitung ist: Der Sänger möchte Brussig als Autor für sein Musical gewinnen. „Eigentlich habe ich mit Musicals überhaupt nichts am Hut“, sagt Brussig. „Doch Lindenberg interessiert mich sehr, und daher habe ich nicht lange gezögert mitzumachen.“ Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit, an der auch der Intendant des Hamburger St.-Pauli-Theaters, Ulrich Waller, als Regisseur beteiligt ist, heißt „Hinterm Horizont“ und soll am 9. November 2010 im Theater am Potsdamer Platz Premiere haben.
Wie der Titel des als „East-West-Side- Story“ angekündigten Musicals rund um das Thema 20 Jahre deutsche Einheit andeutet, spielen Lindenbergs Lieder darin eine wichtige Rolle. Angefangen von „Horizont“ über „Cello“ bis zum „Sonderzug“ werden 20 Hits des in Hamburg lebenden Künstlers zu hören sein. Sie sind eingebettet in eine Handlung, die sowohl von wichtigen Stationen in Lindenbergs Künstlerleben als auch von der fiktiven Geschichte des „Mädchens aus Ost-Berlin“ und dessen romantisch-geheimnisvoller Vergangenheit erzählt. „Wir wollten, dass die Kombination aus Songs und Story so natürlich rüberkommt wie im Abba-Musical“, sagt Brussig, der sich daher „Mamma Mia“ zur Vorbereitung seiner Arbeit gewissenhaft ansehen musste.
„Wichtig ist, dass der Abend Spaß macht. Es soll nicht darum gehen, in einem Musical DDR-Geschichte aufzuarbeiten“, sagt der 44-Jährige, der für den Erfolgsfilm „Sonnenallee“ die literarische Vorlage und das Drehbuch geliefert hat. Darin beschreibt er einen DDR-Alltag, wie er dauerhaft so schön und fröhlich nie gewesen ist. „Dennoch kamen danach viele Menschen zu mir und sagten: ,Genau so war''s!‘“, erzählt Brussig.Vor der Zusammenarbeit mit Lindenberg, die oft auf Spaziergängen rund um die Dauerbleibe des Künstlers, das Hotel Atlantic Kempinski, an der Alster stattfand, ist Brussig dem Rockmusiker erst einmal kurz bei der Verleihung der Carl-Zuckmayer-Medaille 2007 begegnet. Lindenbergs Lieder hat er in den achtziger Jahren in Ost-Berlin oft gehört und dessen Bemühungen miterlebt, „die Osterweiterung seiner Marke“ voranzutreiben. „Es hat mir stets imponiert, dass Lindenberg das DDR-Publikum immer mitgedacht hat, auch wenn er daran nichts verdienen konnte“, sagt Brussig. Anstatt nach Amerika, sei der Sänger lieber in „olle Baracken“ nach Moskau und Ost-Berlin gereist. Zu diesen „Baracken“ gehörte der Palast der Republik. Ihn bespielte Lindenberg – als erster westdeutscher Musiker im Oktober 1983 vor 4500 ausgesuchten FDJ-Mitgliedern mit seinem Panikorchester. Echte Fans hingegen hatten keinen Zutritt zum Konzert. „Auch ich stand weit entfernt vom Geschehen hinter den Absperrungen“ erinnert sich Brussig.
Gleich mehrere, unterschiedlich alte Lindenbergs werden in „Hinterm Horizont“ zu sehen sein. Der 63-Jährige will das Casting selbst überwachen. „Die Meister-Kurse in Nuschelkunde, im Schleuderfix-Gang und im grazilen Panik-Tanz gebe ich natürlich selbst“, sagt er bei einem Interview. Brussig erlebt diesen „lockeren, rebellischen Udo-Sprech“ nun öfter persönlich und findet ihn klasse. Doch auf die Frage „Ja, wie isser denn nun, der Udo?“ könne er bis heute keine abschließenden Antwort geben.
Ab 9. November 2010. Theater am Potsdamer Platz. Karten 35 bis 93 Euro. Infos und Tickets auf www.stage-entertainment.de und unter Telefonnummer 01805/4444.
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