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Von Claus-Dieter Steyer: Von Ribbeck wohnt heute im Stall
Am Samstag wird das sanierte Schloss im Havelland wiedereröffnet
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Ribbeck – Ein Wandrelief im sanierten Schloss Ribbeck verdreht Fontanes berühmte Ballade über den großzügig seine Birnen verteilenden Gutsherren fast ins Gegenteil. Denn darauf erfreut „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ nicht etwa die Kinder mit Früchten von seinem Baum, sondern will sich diese selbst in den Mund stecken. Die Kinder dagegen sind die wohltätigen Spender, die die Birnen artig älteren Menschen überreichen. Des Rätsels Lösung bringt der Blick auf das Entstehungsjahr des merkwürdigen Bildes. 1956 hatte sich ein Künstler an der vorgegebenen Aufgabe versucht, die nach Kriegsende enteigneten und vertriebenen Gutsherren im Nachhinein verächtlich darzustellen und gleichzeitig ein idealisiertes Bild vom neuen Dorfleben zu zeichnen. Heute spricht so ein Werk über die damalige Zeit Bände. Seine Bewahrung vor den nach der Wende überall so ungestüm vorgegangenen Bilderstürmern hängt mit der Geschichte des Schlosses zusammen, das ab Samstag jedermann besichtigen kann.
„Bis 2004 diente es als Alters- und Pflegeheim, sodass sich bis dahin kaum jemand um die eigenwillige Darstellung kümmerte“, sagt Sonja Herrmann, Geschäftsführerin des neuen Kultur- und Tourismuszentrums im Schloss. „Heute gehen die Ribbecker damit sehr selbstbewusst um.“ Vielleicht sähe es heute nicht nur damit ganz anders aus, wenn der ursprüngliche Plan des Landkreises Havelland als Eigentümer aufgegangen wäre. Denn nach dem Auszug der alten und pflegebedürftigen Bewohner wurde das Schloss in mehreren Anzeigenkampagnen und auf Immobilienmessen fast wie Sauerbier angeboten. Es mangelte zwar nicht an Kaufinteressenten, aber der hohe Sanierungsbedarf des 1893 in seiner jetzigen Form errichteten Gebäudes schreckte schließlich alle ab.
Sie dürften am Ende die richtige Entscheidung getroffen haben. Schließlich machte sich nach dem gescheiterten Verkauf der Landkreis selbst ans Werk und musste dabei stolze 5,6 Millionen Euro aufbringen. Nun gibt es hier ein Museum über Fontane und das Schloss, ein Restaurant, ein Trauzimmer und mehrere Veranstaltungsräume. Auch der Tourismusverband und der Kreisbauernverband zogen ein.
Ganz besonders aufmerksam verfolgte Carl Friedrich von Ribbeck, „Urenkel des Birnenverteilers in siebenter Generation“, das Baugeschehen. Als Achtjähriger musste er 1945 mit seiner Familie den Ort verlassen, als die Bodenreform unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“ alle Großgrundbesitzer enteignete. Nach der Wende kämpfte von Ribbeck vergeblich um die Rückgabe des großväterlichen Erbes. Heute erzählt er voller Bitterkeit über die „erlebte Ungerechtigkeit und Rechtsbeugung“. Denn die Familie sah sich lange im Recht, alle Immobilien sowie Grund und Boden unentgeltlich zurückzuerhalten. „Mein Großvater gehörte zu einer Gruppe von Gutsbesitzern und Intellektuellen, die Hitler die Gefolgschaft versagt hatten“, erzählt der 70-Jährige. „Die Gestapo verhaftete ihn im Mai 1944 und brachte ihn ins KZ Sachsenhausen, wo er im Februar 1945 ums Leben kam.“ Auslöser für seine Verhaftung war ein Zwischenfall auf einem Feld. Hans von Ribbeck hatte sich zur Absturzstelle eines englischen Kampfbombers begeben und dort einen Wehrmachtsoffizier und eine „Kriegerfrau“ sehr energisch ermahnt, Schaulustige am Zertrampeln des aufkeimenden Getreides zu hindern. Das ergab ein heftiges Wortgefecht, in dem der Gutsherr auch mit seiner Reitpeitsche drohte. Kurze Zeit später saß er im Konzentrationslager. Sein gesamter Besitz wurde konfisziert.
Doch trotz dieser Geschichte konnten die Ribbecks die 1945 erfolgte zweite Enteignung nicht rückgängig machen. Vor allem der Landkreis Havelland kämpfte um den Bestand der Bodenreform, den letztendlich auch das Bundesverfassungsgericht endgültig sicherte. „Wir einigten uns schließlich vor Gericht“, erzählt Carl Friedrich von Ribbeck. „Verzicht auf die berechtigte Rückgabe der Liegenschaften, dafür eine gewisse Entschädigung, lautete der Kompromiss.“
Mit dem Geld kaufte die Familie den völlig verfallenen Kutsch-Pferdestall gegenüber vom Schloss, das jetzt ihr Zuhause ist. In der alten Brennerei und in einem Stallgebäude stellen sie heute jährlich 4000 Liter Brennessig her.
Von dort ist es nur ein Katzensprung zur Dorfkirche mit dem berühmten Birnbaum. Der ist zwar längst nicht mehr jenes Exemplar aus Fontanes Zeiten, aber immer noch ein beliebtes Fotomotiv. Inzwischen entstand ein ganzer Birnengarten – gespendet von zahlreichen Bundesländern.
Eröffnung wird am Samstag im Schloss Ribbeck, Theodor-Fontane-Straße 10, von 11 bis 22 Uhr gefeiert. Das Museum ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet, das Restaurant 12 bis 21 Uhr.
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