Brandenburg: Vor dem Castor kommt die Furcht
Rollt die Atomfracht durch Berlin? Versuchte Anschläge auf Bahnstrecke Oranienburg-Neustrelitz
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Berlin - Polizei und Atomkraftgegner bereiten sich auf den zweiten Castor-Transport innerhalb von zwei Monaten vor. Auch dieser wird durch Brandenburg führen, vermutlich wird der Zug jedoch nur einen kurzen Abschnitt durch die Prignitz rollen. Aller Voraussicht nach werde „nur ein geringer Teil Brandenburgs berührt“, hatte ein Sprecher des Innenministeriums jüngst gesagt – ein deutlicher Hinweis, dass der Zug wieder über die gut ausgebaute Gütermagistrale Magdeburg-Stendal-Wittenberge-Ludwigslust (siehe Grafik) rollt. Von dieser Strecke dürften die Behörden nur im äußersten Notfall abweichen, da beide Alternativen durch Berlin führen. Hier hätten Gegner nicht nur baulich – zum Beispiel an Brücken – zahlreiche Gelegenheiten für Blockaden oder Anschläge, hier wohnen die Gegner auch. Die Polizei stünde in der Stadt vor einer schweren Aufgabe. Zudem könnte das Stadtgebiet wegen zahlreicher Bahnhöfe und Abzweigstellen nicht so schnell durchquert werden.
Bernd Ebeling von der Initiative „Contratom“ hält eine Fahrt durch Berlin für möglich, falls die direkte Route nicht befahrbar sein sollte. Da der Güteraußenring bei Hennigsdorf wegen Brückenbauarbeiten gesperrt ist, bleibt derzeit nur die südliche Umfahrung über Schönefeld, quer durch Köpenick und weiter zum Karower Kreuz. Theoretisch wäre auch die Route von Stendal über Spandau-Gesundbrunnen-Karow möglich, falls die Wunschroute Richtung Wittenberge kurzfristig blockiert ist. Einzelheiten zu den von den Behörden genehmigten möglichen Strecken sind traditionell geheim.
In Berlin hat es in den vergangenen zehn Jahren keinen Atomtransport gegeben. Dies hatte die Umweltverwaltung im Oktober vorigen Jahres auf Anfrage der Grünen bestätigt. „Mit im Transit durch Berlin führenden Kernbrennstofftransporten ist aus geographischen Gründen auch weiterhin nicht zu rechnen“, hatte die Umweltbehörde mitgeteilt. Der Zug mit den fünf Castor-Behältern mit 16 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm Uran soll am Dienstagabend in Karlsruhe starten und am Donnerstag in Lubmin bei Greifswald im Zwischenlager eintreffen.
Inzwischen wurde bekannt, dass auf Bahnanlagen bei Oranienburg (Oberhavel) offenbar Anschläge verübt werden sollten. In der Nähe der Havelbrücke im Fichtengrund seien am Freitagabend zwei Sprengsätze gefunden worden, teilte das Landeskriminalamt (LKA) mit. Die Bahnstrecke Oranienburg-Neustrelitz gilt als eine der möglichen Routen für den geplanten Castortransport in der kommenden Woche. LKA-Sprecher Toralf Reinhardt sagte auf Anfrage, ein möglicher Zusammenhang zwischen den versuchten Anschlägen und dem bevorstehenden Castortransport könne nicht ausgeschlossen werden. Es werde aber in alle Richtungen ermittelt. Die Polizei sei von einer Zeugin über einen möglichen Sprengsatz an der Bahnstrecke informiert worden, sagte Reinhardt. Spezialisten untersuchten den Fund. Er handelte sich um eine funktionsfähige Vorrichtung. Der Sprengsatz war in einem Kabelschacht deponiert worden. Eine Detonation hätte den Angaben zufolge einen erheblichen Schaden im Kabelschacht und damit einen längeren Ausfall des Zugverkehrs zur Folge gehabt.
Ein Bekennerschreiben ist bislang nicht eingegangen, jedoch gehen Sicherheitsbehörden von einem Zusammenhang mit dem Castortransport aus.
Jörn Hasselmann (mit dapd)
Jörn Hasselmann (mit dapd)
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