Brandenburg: Wahnsinn auf vereister Autobahn
Lkw behindern oft den Verkehr / Tempolimit und Überholverbot gefordert
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Potsdam - „Es ist der blanke Wahnsinn, was derzeit täglich auf Brandenburgs Autobahnen abgeht, da fahren die Lkw nicht mit der den Witterungsverhältnissen angepassten Geschwindigkeit“. Michael Werner, der brandenburgische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), spricht aus, was viele Autofahrer der Region in diesen Tagen empfinden. Und erleben. „Da fahren die Pkw mit 60 Stundenkilometern auf vereister Fahrbahn langsam und vorsichtig hintereinander her“, erzählt ein Autofahrer. „Und dann kommt ein Lkw mit mindestens 90 Sachen hinterher und hupt ununterbrochen, um die Pkw auf der rechten Spur zu schnellerem Fahren zu drängen. Oder er rast – manchmal fast doppelt so schnell – auf der linken Spur vorbei.“
Kein Einzelfall, wie Polizisten bestätigen. Es gibt keine Statistik über den Anteil der Lkw an Unfällen und Staus der letzten zwei Tage – mehrere Dutzend dürften es aber gewesen sein, schätzt man in den Polizeipräsidien Frankfurt (Oder) und Potsdam. Die Zahlen sind bedrohlich: Am Montag wurden landesweit 544 Unfälle mit 48 Verletzten registriert, bis Dienstagmittag waren es 257 mit 16 Verletzten. Bei einem Unfall mit einem Lastwagen bei Brieselang (Havelland) auf der A10 sind vier Menschen, darunter zwei Kinder, verletzt worden. Der 55-jährige Lkw-Fahrer war wegen überhöhten Tempos mit seinem Anhänger zur Mittelschutzplanke ins Rutschen gekommen. Zum Glück seien die meisten Verletzungen nicht schwer gewesen, weil fast alle Verkehrsteilnehmer sich den Witterungsbedingungen angepasst hätten, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Potsdam. „Das gilt auch für die meisten Lkw-Fahrer“.
Dass man in den Nachrichten oft den Satz hörte, „Stau oder stockender Verkehr wegen eines quer stehenden Lkws“, lag nicht nur an überhöhter Geschwindigkeit, sondern auch daran, dass Winterreifen nur für die Antriebsachse des Lkw vorgeschrieben sind. „Wenn der einen langen und schweren Anhänger hinter sich hat, hilft das wenig“, sagt der Chef des brandenburgischen Landesbetriebs Straßenwesen, Hans-Reinhard Reuter.
Er kritisiert , dass es oft zu lange dauere, bis ein Unfall aufgenommen sei und die Bergung beginne. „Manche Fahrer bestehen darauf, einen Abschlepp- beziehungsweise Bergungsdienst ihrer Wahl zu rufen, manchmal sogar im Ausland. Und das dauert.“ Reuter spricht vor allem von polnischen Lkw-Fahrern, die, solange sie noch in Grenznähe sind, oft versuchen, lieber eine Bergungsfirma aus dem polnischen Slubice zu engagieren, als ein teureres deutsches Unternehmen.
„Das kann aber nur im Osten des Landes möglich sein“, sagt Rudi Sonntag vom Polizeipräsidium Potsdam. „Die Polizei hat da klare Richtlinien. Wenn der vom Fahrer vorgeschlagene Bergungsdienst zu weit weg ist und zu lange bis zum Unfallort braucht, schlagen wir vor, die seit 1. Juli dieses Jahres bestehende Abschleppzentrale Berlin-Brandenburg zu kontaktieren. Lehnt das der Fahrer auch ab, wird eine polizeiliche Sicherstellung veranlasst.“ Letzteres sei immer der Fall, wenn Menschenleben in Gefahr seien, sagt Sonntag. Dass es oft lange dauere, bis sich ein Stau nach einem Lkw-Unfall auflöse, liege manchmal auch an der Ladung, die geborgen werden müsse.
Polizeigewerkschafter Werner fordert dennoch ein Tempolimit von 50 Stundenkilometern und ein Überholverbot für Lkw, falls es wieder zu Eis und Schnee kommt: „Gerade jetzt vor den Feiertagen wollen Familien in den Urlaub fahren und nicht auf gesperrten Autobahnen mit den Kindern ihre Zeit verbringen.“ S. Dassler
S. Dassler
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