Stasi-Bericht des Landtages: Wahrheit mit einem knappen Monat Verzögerungen
Obwohl der Stasi-Bericht des Landtags fast fertig war, blieb er lange Zeit unter Verschluss
Stand:
Potsdam - Der Bericht der Kommission zur Überprüfung der brandenburgischen Landtagsabgeordneten enthält neben den Feststellungen zu den Personen noch eine peinliche Erkenntnis. Schwarz auf weiß ist da zu finden, dass es beinahe einen Monat brauchte, bis endlich das an die Öffentlichkeit drang, was am 14. Dezember vergangenen Jahres feststand. Denn an diesem Tag fand die letzte Sitzung der Kommission statt, auf der die „Endredaktion des Abschlussberichtes“ auf der Tagesordnung stand.
Dieser Bericht passte dann aber angeblich nicht zu dem damaligen Arbeitsprogramm des Parlaments und wurde nach Einwänden des Präsidenten des Landtages, Gunter Fritsch (SPD), zunächst für drei Wochen weggeschlossen. Als er am 6. Januar beim Landtag eintraf und in den Geschäftsgang kam, ohne dass es zu einem Übergabeverfahren kam – das wurde erst später als Fototermin nachgestellt –, fiel dem Präsidenten ein, dass er keine Stellungnahmen der betroffenen Abgeordneten enthielt. Also wurde Gunter Fritsch aus eigener Machtvollkommenheit aktiv, hielt die Drucklegung zunächst an und sorgte dafür, dass den belasteten Abgeordneten die Textpassagen, die sie betrafen, zugestellt wurden. Die Fraktion Die Linke konnte sich ganz exklusiv so ein relativ umfassendes Bild machen und beherrschte tagelang mit ihrer Interpretation des Geschehens die Bühne. Fritsch begründete sein Vorgehen, das in einem von ihm veranlassten Schreiben der „Geschäftsstelle“ der Kommission gipfelte, damit, dass dies das Gesetz vorsehe. Tatsächlich aber gibt der Paragraf 33 des Abgeordnetengesetzes diese Auslegung nicht her. Dort heißt es lediglich: „Die Feststellungen der Kommission werden unter Angabe der wesentlichen Gründe vom Vorsitzenden ausgefertigt und als Drucksache veröffentlicht. In die Drucksache ist auf Verlangen eine Erklärung des betroffenen Abgeordneten aufzunehmen“.
Bis zum 6. Januar hatte nach Wissen der Kommission keiner der Abgeordneten verlangt, dass eine Erklärung beigefügt wird. Zuvor hatte die Kommission mit einem jeden von ihnen ja schon ausführlich gesprochen. Das brandenburgische Gesetz sieht auch nicht – wie etwa beim Bundestag – eine Unterrichtung der Fraktion über die wesentlichen Feststellungen zu ihren Abgeordneten vor. Der Bundestag, durch Urteile des Verfassungsgerichts zu einer umfassenden Mitwirkung der Betroffenen verpflichtet, handhabt solche Verfahren so, dass der Abgeordnete nur vor der endgültigen Beschlussfassung eine Möglichkeit zur Stellungnahme erhält. Das letzte Wort hat dort immer die mit der Angelegenheit befasste Arbeitsgruppe des Immunitätsausschusses. Nach ihrer Beschlussfassung geht der Text dann sofort in die Drucklegung.
Die Kontroverse, die sich jetzt zum eigenmächtigen Vorgehen des Präsidenten entspann, versucht Fritsch dadurch zu beenden, dass er kurzerhand andere Interpretationen des rechtmäßigen Vorgehens für „falsch und auch nicht nachvollziehbar“ erklärt und sich damit gegen die Kritiker aus den Reihen des Parlaments stellt. Tatsächlich aber hat er sogar in der SPD-Fraktion Verwunderung ausgelöst. „Unglücklich“ nannte deren Sprecher den Vorgang und ergänzte, dass es dort sehr wohl für richtig gehalten wurde, den Bericht auch ohne die Stellungnahmen zu veröffentlichen. Fritsch hielt es auch nicht für nötig, sich bei seinem umstrittenen Vorgehen mit den Fraktionen abzusprechen. Auch aus allen anderen Fraktionen mit Ausnahme der Linken kam deutliche Kritik an seinem Vorgehen. SPD, Grüne, CDU und FDP wurden am Nachmittag des Freitags von dem Bericht überrascht und konnten deswegen auch nur sehr fragmentarisch Stellung nehmen. Die Linksfraktion dagegen konnte mit tagelangem Vorlauf aus dem Vollen agieren und nutzte die Gelegenheit zu einem Angriff auf die Kommission. Dessen Stichhaltigkeit war in der Kürze der Zeit auch nur schwer nachzuprüfen. Angeblich hatte die Kommission sich im Fall Stobrawa geweigert, sogenannte Entlastungszeugen zu hören. Tatsächlich aber wird nach einer sorgfältigen Lektüre des Berichts klar, dass die umfangreichen Recherchen der Kommission in diesem Fall hinreichend zu der für eine Feststellung notwendigen Gewissheit führten. Die Befragung weiterer Personen war schon deswegen nicht notwendig, weil die von Frau Stobrawa vorgebrachten Behauptungen sowohl durch einen Zeugen, als auch durch Recherchen im Landesarchiv widerlegt waren.
Neben der Handhabung des Berichts durch den Landtagspräsidenten könnte jetzt auch die Art der Debatte im Landtag selbst strittig werden. Nach der ersten Vorlage der Tagesordnung für den 25. Januar ist lediglich eine 30-minütige Aussprache vorgesehen, bei der jede Fraktion fünf Minuten erhält und die Landesregierung ebenfalls zu Wort kommen soll. Die Sprecherin des Landtags, Katrin Rautenberg, sagte allerdings, dies sei nur eine Art vorläufiger Vorschlag und selbstverständlich stehe es dem Parlament frei, wesentlich ausführlicher den Bericht zu besprechen. Auch sei es keinesfalls festgelegt, dass die Landesregierung Stellung beziehen soll. Denkbar sei auch eine Beteiligung der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe, die der Kommission angehörte.
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