Brandenburg: Warum Kurras schoss bleibt im Dunkeln
Der Polizist, der Benno Ohnesorg erschoss, wird kein drittes Mal angeklagt
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Berlin - Karl-Heinz Kurras wird nicht mehr wegen der tödlichen Schüssen auf den Studenten Benno Ohnesorg vor Gericht gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen den 84 Jahre alten ehemaligen Berliner Polizisten werde eingestellt, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner am Mittwoch. Es hätten sich keine neuen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Kurras am 2. Juni 1967 mit Mordauftrag auf Ohnesorg geschossen habe.
Der Verdacht war aufgetaucht, nachdem der West-Berliner Kriminalpolizist Kurras im Mai 2009 als Stasi-Spion enttarnt worden war – als ein besonders fleißiger und skrupelloser. 17 Aktenbänden mit Informationen des Informellen Mitarbeiters „Otto Bohl“ – so Kurras’ Tarnname – hatten im Archiv der Stasiunterlagenbehörde herumgelegen, bis sie richtig zugeordnet werden konnten: IM Otto Bohl hieß tatsächlich Karl-Heinz Kurras.
Knapp 42 Jahre vor seiner Enttarnung hatte er schon einmal – auf fatale Weise – Geschichte geschrieben: Während einer Demonstration Tausender Studenten gegen den Schah von Persien tötete Kurras den Studenten Ohnesorg durch einen Schuss in den Kopf. Dass ausgerechnet die DDR–Staatssicherheit Kurras als politischen Attentäter gewonnen haben könnte, war 2009 jedenfalls nicht ausgeschlossen – zu überraschend und fast bizarr wirkte die Erkenntnis, dass der Polizist Kurras gleich zweimal im Leben Schlagzeilen machte. Die Stasi als Beschleuniger der Studentenunruhen? Das hätte dem Kalten Krieg um West-Berlin im Nachhinein eine neue Dimension gegeben. Die 17 Aktenbände mit Kurras’ Informationen für die Stasi bestätigten den Verdacht aber nicht. Tatsächlich brach der Führungsoffizier den Kontakt zu seinem Zuträger sofort nach dem Todesschuss ab – und das, obwohl der West-Berliner Polizist fleißig wie wenig andere IMs gewesen war und viele wichtige Interna der West-Berliner Sicherheitsbehörden an die Stasi verraten hatte, auch über desertierte ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die bei West-Berliner Behörden aussagten. Zweimal musste sich Kurras vor West-Berliner Gerichten für den tödlichen Schuss rechtfertigen, verurteilt wurde er nicht. Jahre später versuchte er abermals, die Stasi zu kontaktieren, was fehlschlug. Kurras war bis zur Pensionierung ein bekannter, aber unauffälliger West-Berliner Polizist. Seine Verbindung zur Stasi blieb nach 1989 unentdeckt. Denn als alle Polizisten in Berlin auf eine Stasibelastung hin überprüft wurden, war Kurras im Ruhestand.
Vor Gericht stand er zuletzt im November 2009 – wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Damals gab Kurras den fast tauben, gehbehinderten, nur bedingt zurechnungsfähigen Greis – um tags darauf wieder in seine Stammkneipe zu radeln. Dem Land Berlin schuldet er nach einem Verwaltungsgerichtsverfahren jetzt 4500 Euro – eine Eingliederungshilfe, die er als ehemaliger sowjetischer Lagerhäftling bekommen hatte. Werner van Bebber
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