Von Andreas Conrad: Waters baut Mauer wieder auf
Pink-Floyd-Gründer verkündete Neuauflage seines „The Wall“-Spektakels. 1990 kamen 320 000 Fans. Jetzt will der Musiker die Berliner O2-World füllen
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Berlin - Also hat doch wieder jemand die Absicht, eine Mauer zu errichten, mitten in Berlin. Zwar nicht aus Beton und nur für einen Abend, aber immerhin. Zuletzt geschah das am 21. Juli 1990 auf dem Potsdamer Platz, der Abbau der realen Mauer war dort eigens gestoppt worden, so bekam Roger Waters für die Styropor-Kulisse zu seinem „The Wall“-Rockspektakel sogar noch etwas Authentizität. An diesem Donnerstag nun verkündete der ehemalige Pink-Floyd-Frontmann bei einer Pressekonferenz im Londoner Mandarin Oriental Hotel, dass er zurückkommen wolle nach Berlin, um dort im Rahmen einer Europatournee erneut „The Wall“ zu geben, als runderneuertes Rocktheater am 15. Juni 2011 in der O2-World, mit einer 73 Meter breiten und knapp elf Meter hohen Mauer quer über die Bühne. Das dürfte selbst die Mitglieder der ehemaligen DDR-Grenzorgane beeindrucken: Ihr Original war maximal 3,60 Meter hoch.
Der Vorverkauf beginnt am 11. Juni, ein Jahr vorher, und doch sollten Fans sich den Termin merken: Als Waters im April seine „Wall“-Herbsttour durch 36 US-Städte bekannt gab, waren die Tickets meist innerhalb weniger Minuten ausverkauft. Die Tour durch Europa beginnt im März 1011 und führt durch 29 Städte. Die weiteren deutschen Auftrittsorte sind Mannheim (3. Juni), Hamburg (10. Juni) und Düsseldorf (18. Juni).
Anlass der Tournee ist das 30-jährige Jubiläum des legendären „The Wall“-Doppelalbums von Pink Floyd, das weitgehend von Waters stammt und an dem er die Aufführungsrechte besitzt. Wegen der aufwendigen Bühnenshow wurde es nur an wenigen Orten aufgeführt, an eine monatelange Tournee war nicht zu denken. Das ist heute anders, auch der Fortschritt der Bühnentechnik ist unaufhaltsam, das kann jeder auch sehen: Früher war nur ein Teil der erst emporwachsenden, dann einstürzenden Wand mit Projektionen zu bebildern. Jetzt, so freut sich Waters, kann sie in ganzer Länge illuminiert werden. Dazu gibt es die bekannten Puppen und aufgeblasenen Objekte, erneut gestaltet von Gerald Scarfe, der damals auch das Album illustrierte. Neu hingegen sind die geplanten Projektionen von Fotos getöteter Kriegsopfer. Schon jetzt bittet Waters auf www.roger-waters.com Angehörige um solche Aufnahmen und biografische Details, sieht er doch in seiner Rockshow „eine starke Antikriegsbotschaft“, mit der Mauer als düsterer Metapher.
Natürlich ist mehr die Mauer im Kopf gemeint als ein reales Bauwerk. The Wall, das ist die imaginäre Grenze, mit der Pink, der traurige Held der Geschichte, sich mehr und mehr umgibt. Der Vater gefallen, die Mutter unmäßig in ihrer Fürsorglichkeit, der Lehrer ein Monster und der Rest der Welt auch nicht besser – ein Hundeleben alles in allem, vor dem sich Pink zuletzt in wüste Fantasien von einem faschistoiden Führertum flüchtet, bis über ihn Gericht gehalten, die Mauer niedergerissen wird – ein Schluss ohne viel Optimismus.
Waters will diese Geschichte in einem Zustand der Krise ersonnen haben, in einem permanenten „Gefühl der Minderwertigkeit“, das ihn als jungen Mann gequält habe. Mit „The Wall“ habe er sich befreit. Der Stoff ist also latent autobiografisch, aber für Waters ist er weit mehr, das mache ihn noch heute aktuell. Er erscheint ihm als eine Art Allegorie, wie die Menschen miteinander umgehen, und seine alten Neurosen waren demnach nur die individuelle Variante von Ängsten, die das Miteinander und vor allem Gegeneinander von Gruppen, Gesellschaften, ja Nationen prägen. Eine nicht gerade sonnige Weltsicht steht dahinter, doch bekennt Waters sich zu einem „behutsamen Optimismus“, dass es doch einen Fortschritt zur Humanität gebe, und seiner Verpflichtung als Künstler, die Menschen auf dem Weg dorthin zu bestärken.
Ob die Botschaft wohl angekommen ist an jenem späten Abend des 21. Juli 1990 auf dem Potsdamer Platz? Zwei Jahre zuvor waren Pink Floyd noch vor dem Reichstag aufgetreten, ohne Roger Waters, der sich 1985 von der Band gelöst hatte und jahrelang mit der Resttruppe im Rechtsstreit lag. Auch gestern aber waren die angereisten Journalisten gehalten, nach Pink Floyd bitte nicht zu fragen.
Unter Personalmangel litt das Konzert von 1990 aber auch ohne Gilmour & Co. nicht. Stars wie Cyndi Lauper, Joni Mitchell und Bryan Adams hatte Waters verpflichtet. Die Bühne stand nördlich des Leipziger Platzes, mit riesiger Tonanlage, die für die laut Polizei 320 000 Fans – nur 250 000 hatten bezahlt, den Rest hatte man sicherheitshalber einfach reingelassen – nicht reichte. Hinten kam nur noch Klangbrei an.
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