Brandenburg: Weitere Versäumnisse in Berliner Medikamentenaffäre
Untersuchungsbericht: Klinikum Buch lieferte Arznei ohne ausreichende Prüfung in Haftanstalt
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Berlin - Das Urteil ist vernichtend: Die Untersuchungsgruppe für den Medikamentenskandal in der Justizvollzugsanstalt Moabit spricht von Organisationschaos bei der Medikamentenvergabe und Ignoranz bei den Verantwortlichen. Jahrelang sollen wie berichtet Vollzugsbedienstete Medikamente für Gefangene unterschlagen haben beziehungsweise Arzneimittel bestellt haben, die nicht angeordnet worden waren. Seit September 2006 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen fünf Bedienstete wegen Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Anfang Februar entließ nach Bekanntwerden der Medikamentenaffäre Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) Justizstaatssekretär Christoph Flügge. Begünstigt wurde der Medikamentenskandal wie berichtet durch persönliche Beziehungen. Fehler unterliefen aber auch der Apotheke im Helios-Klinikum Buch, die die Haftanstalt mit Medikamenten versorgt. Dies geht aus dem internen Untersuchungsbericht zur Medikamentenaffäre hervor, der dieser Zeitung vorliegt. „Jedem Angehörigen des medizinischen Personals (der Haftanstalt, die Redaktion) ist es möglich, bei der Helios Kliniken GmbH Medikamente zu bestellen. Selbst auf Bestellungen ohne Unterschrift wird die Lieferung ausgeführt und in Rechnung gestellt“, heißt es in dem Bericht. Helios-Sprecher Hermann Müller sagte dazu: „Wir können nicht ausschließen, ob in Einzelfällen die Kontrolle der Unterschriften vollständig erfolgt ist.“
Im Jahr 2004 hatte Helios 74,9 Prozent der Anteile an der ehemaligen Zentralklinik Emil von Behring und gleichzeitig den Versorgungsauftrag für die Haftanstalt übernommen. 2005 wurde die Belieferung von der Apotheke der Klinik Emil von Behring auf die Helios-Apotheke in Buch übertragen. Zu Vertragsbeginn im Jahr 2001 wurden Unterschriftenproben der zeichnungsbefugten Ärzte vorgelegt, seitdem aber weder aktualisiert noch „im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Medikamentenanforderungen zur Prüfung der Legitimation des Bestellers herangezogen“, heißt es weiter. Erst „kürzlich“, so Helios-Sprecher Müller, habe man „aktuelle Unterschriftenproben angefordert und die Mitarbeiter zur Unterschriftenkontrolle angehalten“.
Bis heute liefert Helios Medikamente in die Haftanstalt, obwohl es seit 2006 einen „vertragslosen Zustand“ gibt, sagt Müller. Eine Ausschreibung der Dienstleistung fordert der Landesrechnungshof seit Jahren. Justizsenatorin von der Aue will jetzt handeln. „Der Vertrag mit der Apotheke soll gekündigt werden. Eine hausinterne Arbeitsgruppe prüft, wie eine Übergangsregelung geschaffen werden kann“, sagte Sprecherin Barbara Helten. Die Arzneimittelversorgung der Haftanstalten soll über eine Zentralapotheke im neuen Haftkrankenhaus geregelt werden.
Zum Missmanagement in der Haftanstalt sagte Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer: „Über einen langen Zeitraum hinweg haben Pfleger und Ärzte eigene Spielregeln bei der Medikamentenvergabe gemacht.“ Die Justizverwaltung hätte die Vergabe kontrollieren müssen. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Justizbedienstete aufgenommen hatte, ordnete der damalige Staatssekretär Flügge eine Innenrevision an: in den Haftanstalten Plötzensee, Tegel, in der Jugendstrafanstalt – nur nicht in Moabit.
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