Brandenburg: Weniger für mehr
35 Brandenburger Tafeln versorgen Bedürftige mit Lebensmitteln – doch es reicht nicht mehr
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Potsdam - Frauen, Männer und Kinder stehen dicht gedrängt auf dem Bürgersteig. Sie warten vor einem alten, unbewohnten Haus am Rande der Luckauer Innenstadt (Dahme-Spreewald). Niemand will zu spät sein, wenn Andrea Riedel die graue Holztür öffnet, um Lebensmittel zu verteilen. In Brandenburg versorgen derzeit 35 Tafeln bedürftige Menschen mit Brot, Obst, Gemüse und Bekleidung.
Es ist noch früh am Morgen. Andrea Riedel nimmt ein paar Äpfel aus einer Kiste und verteilt sie auf verschiedene Plastiktüten. Die 47-Jährige bereitet die Lebensmittelpakete für die Ausgabe vor. „Alles wird gerecht aufgeteilt“, sagt sie. Montags und freitags öffnet die Tafel in Luckau um 15 Uhr ihre Pforten, doch die ersten Gäste warten bereits seit Vormittag vor der Tür. Der Grund: „Die Lebensmittel reichen nicht immer für alle aus“, sagt Riedel. Das leer stehende Haus macht einen düsteren Eindruck, lange bleiben will hier niemand.
„Die Tafeln sind der sichtbare Beweis dafür, dass Armut in unserem Land kein Randphänomen ist“, sagt Gerd Häuser, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafeln. Vor allem Langzeitarbeitslose sowie Familien mit Kindern, insbesondere Alleinerziehende, suchen die Unterstützung der Tafeln. Zu den Kunden zählen aber auch Berufstätige und Rentner, deren Einkommen kaum zum Leben reicht. Es sei kein Zufall, dass sich die Anzahl der Tafeln seit Einführung der Hartz-Gesetze im Jahr 2003 deutschlandweit von damals 320 auf heute fast 800 vervielfacht hat. „Dass es sie überhaupt geben muss, ist ein Armutszeugnis für ein reiches Industrieland wie Deutschland“, sagt Häuser. In Brandenburg habe sich die Zahl der Tafeln in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt.
Andrea Riedel arbeitet seit fünf Jahren bei der Luckauer Tafel. 100 Euro bekommt die Harz IV-Empfängerin im Monat für ihre Arbeit. „Es ist nur ein kleiner Zuschuss, aber der hilft schon sehr“, sagt die gelernte Zootechnikerin. Die Arbeit bei der Tafel ist für sie nicht unangenehm. "“Ich sitze im selben Boot, wie unsere Gäste“, erzählt Riedel. „Es braucht sich niemand zu schämen, hierher zu kommen“ – sie macht vor allem älteren Menschen Mut, die oft Probleme damit hätten, sich nach den Lebensmitteln anzustellen.
In Potsdam wurde 1998 eine Tafel gegründet. Sie verfügt mittlerweile über drei Ausgabestellen, die während einer Woche rund 1000 Menschen aller Altersklassen mit Lebensmitteln versorgen. „Einen großen Anteil nehmen Hartz-IV-Empfänger ein“, sagt Potsdams Leiter Oliver Bohrisch. „Die Nachfrage steigt kontinuierlich an.“ Gleichzeitig sei jedoch die Anzahl der gespendeten Lebensmittel rückläufig. Discounter würden wesentlich knapper kalkulieren, wodurch es zu Engpässen bei der Versorgung kom-me. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Sponsoren“. sagt Bohrisch. Seinen Kollegen der anderen Tafeln im Land geht es nicht anders, und auch die hohen Energiekosten bereiten Probleme.
Sicherlich bereitet uns das Probleme“, sagte Norbert Weich, Landesvorsitzender der Tafeln in Berlin und Brandenburg. Einerseits rechneten die von den Preissteigerungen betroffenen Kunden der Tafeln genau, wie oft sie sich einen Einkauf bei den 35 Tafeln in der Mark leisten könnten. Andererseits sei zu beobachten, dass Supermärkte, Händler oder Bäcker zum Teil weniger Lebensmittel spendeten. So würden Läden Produkte, die sonst an die Tafel gegangen seien, selbst zu Sonderpreisen verkaufen – etwa Lebensmittel, die nicht mehr lange haltbar seien. In der Urlaubszeit bestellten einige Händler aber auch weniger Waren, sagte Weich. (mit dpa)
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