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Brandenburg: Wenn der Acker knapp wird

Der Flughafen verschlingt Land und Bäume. Ein Ausgleich findet statt, doch Bauern fühlen sich „betrogen“

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Potsdam/Mittenwalde - Alle wollen Land, sagt Cornelia Brinkmann und schüttelt mit dem Kopf. Dann beginnt die Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft Mittenwalde (Dahme-Spreewald) aufzuzählen: Erst wurde eine Autobahn auf ihren Äckern gebaut, später mussten Felder für zwei Golfplätze weichen. Schon knapp 600 Hektar Ackerfläche habe die Genossenschaft verloren. „Und jetzt“, sagt Brinkmann, „kommen die Flughafengesellschaft und das Land“.

Für ein Ökoprojekt als Ausgleich zum Flughafenneubau sollen zahlreiche Bauern zwischen Mittenwalde, Dabendorf und Rangsdorf auf aus ihrer Sicht hochwertige Ackerflächen verzichten. Für die Renaturierung der Zülowniederung sollen die Landwirte enteignet werden. Die in Aussicht gestellten finanziellen Abfindungen sind für viele keine Option. Sie brauchen das fruchtbare Land, um ihre Geschäfte am Laufen zu halten, die Kunden mit frischen Kartoffeln und ihre eigenen Tiere mit Grünfutter versorgen zu können. Vor dem Bundesverwaltungsgericht haben einige Landbesitzer nun Klage gegen die anstehende Enteignung durch das Land eingelegt.

„Wir fühlen uns alle belogen, betrogen und enteignet“, sagt Cornelia Brinkmann. Es sei wie mit den umstrittenen Flugrouten: „Alles geschickt eingefädelt.“ Der Agrargenossenschaft drohe ein Millionenverlust, erklärt sie. Auf etwa zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche müsse man verzichten – etwa 500 Hektar seien nicht mehr nutzbar. Nicht nur, dass Brinkmann damit um die rund 1200 Genossenschafts-Rinder und deren Grünfutter bangt, die Äcker der Genossenschaft seien mit Krediten belastet. Man habe in eine neue Stallung investiert. „Bei den Kreditraten zählt aber jeder Hektar“, sagt Brinkmann.

Knapp 70 Millionen Euro zahlt indes die Flughafengesellschaft für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Flughafenbau, sagt Unternehmenssprecher Leif Erichsen. Rund um den neuen Großstadtflughafen soll „ein grünes Band“ entstehen. Dafür wurden bereits Alleen aufgeforstet, Wanderwege angelegt, Gewässer renaturiert, Aussichtsplattformen gebaut oder in einem Landschaftspark Wildpferde angesiedelt. Zu den größten Ersatzmaßnahmen zähle die ökologische Aufwertung der Zülowniederung. Ein entsprechender vom Land Brandenburg vorgegebener Planfeststellungsbeschluss sei bereits gefasst, so Erichsen. „Daran werden wir uns halten, den setzen wir um.“

Damit würden Existenzen zerstört, warnt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Raimund Tomczak. „Hier sollen für Käfer und Grillen Flächen mit hohem Humus- und Nährstoffgehalt zwangsweise beschlagnahmt werden.“ Nach dem geplanten Nutzungszeitraum von 25 Jahren wäre fruchtbare Erde zu Ödland „herabgewirtschaftet“. In einer Anfrage forderte Tomczak die Landesregierung deshalb jetzt auf, die wirtschaftlichen Folgen des Ökoprojekts für die Bauern und Betriebe offenzulegen. Zudem sei in der Umwandlungsfläche eine Milchviehanlage mit EU-Geldern gefördert worden, deren Betrieb sei durch die Renaturierung gefährdet – „Steuergelder zum Fenster hinausgeworfen“.

Im Infrastruktur und Landwirtschaftsministerium hält man sich derzeit mit Aussagen zurück. „Wir haben das auf dem Tisch“, sagte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Die Beantwortung der Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten sei in Arbeit. Aktuell könne man keine weiteren Auskünfte geben, so Schade.

„Sie kommen alle zu uns und bedienen sich freimütig“, sagt Cornelia Brinkmann und schimpft. Bestes Ackerland gehe verloren – „es ist ein Drama“. Die Bauern seien gesprächsbereit, sagt sie. „Wir möchten uns einigen, Flächen zur Verfügung stellen, die für uns nicht so wertvoll sind.“ In der Not habe man Briefe an das Ministerium und an den Landrat geschickt. Eine Antwort gab es nicht.

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