Brandenburg: Wenn der Lehrer schlapp macht
Auch in Brandenburg leiden immer mehr Pädagogen unter dem so genannten Burn-out-Syndrom
Stand:
Potsdam - Irgendwann bricht sie einfach zusammen. Die Lehrerin geht vor der Klasse zu Boden. Die 40-Jährige ist vollkommen erschöpft. Sie kommt ins Krankenhaus. Ärzte diagnostizieren das so genannte Burn-out-Syndrom. Die Lehrerin ist ausgebrannt. „Ich hatte meine eigenen Ansprüche nicht erfüllt“, erinnert sich die heute 41-Jährige. Die Folge war das Gefühl, überfordert zu sein. Sie wird depressiv, schluckt Alkohol und Tabletten – bis zum Zusammenbruch. Es folgen zehn Wochen in der Oberbergklinik in Wendisch-Rietz.
In der Privatklinik beschäftigt sich die Pädagogin zehn Wochen lang fast ausschließlich mit sich selbst. In Einzel- und Gruppengesprächen erkunden Ärzte und Therapeuten die Ursachen für das Burn-out-Syndrom. „Wenn wir die Grundstörungen erkennen, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung gut“, sagt Psychotherapeut Klaus Gesser. In der Regel bleiben die Patienten sechs Wochen in der Klinik und erhalten danach ein Jahr lang eine Einzelpsychotherapie. In 50 Prozent der Fälle verbessere sich die Lebensqualität der Betroffenen nach der Therapie erheblich, sagt Gesser. In einigen Fällen bleibe jedoch nur eine berufliche Neuorientierung.
In Brandenburg erkranken nach Kenntnissen von Gesser immer mehr Lehrer am Burn-out-Syndrom. Nach einer Studie der Universität Potsdam fühlen sich zwei Drittel der rund 22 000 märkischen Lehrer überlastet. Jeder dritte Brandenburger Lehrer leidet an Selbstüberforderung und Resignation. Nach Angaben des Projektleiters der Studie, Professor Uwe Schaarschmidt, gibt es im Vergleich zu anderen Berufen bei den Lehrern ein „auffällig ausgeprägtes Risikomuster“. Psychosozial besonders belastet seien Lehrer mit langen Arbeitstagen und hohen Schülerzahlen.
Gesser sieht die Ursachen für den hohen Anteil erkrankter Lehrer in Brandenburg auch darin, dass sich die Pädagogen nach der Wende auf ein anderes Schulsystem einstellen mussten. Hinzu kämen häufige Versetzungen und Lehrermangel. Defizite sieht Gesser auch in der Ausbildung der Pädagogen. So komme beim Studium die „Beziehungsebene“ zu kurz.
Lehrer müssten es lernen zu reflektieren. Nur so könnten sie erkennen, was in der Klasse vor sich gehe und entsprechend reagieren. „Die Pädagogen können unheimlich viel Energie sparen, wenn sie richtig handeln“, unterstreicht der Psychotherapeut. Reflektion könne erlernt werden. Während der Berufsausübung könnten die Fähigkeiten durch ein regelmäßiges Training mit Experten weiter gefestigt werden.Dazu müsse das Bildungsministerium entsprechende Supervisionen kostenfrei anbieten. Das Land lasse die Lehrer jedoch in dieser Hinsicht allein, sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs. Es gebe nur wenige Unterstützungsangebote für kranke oder überlastete Lehrer. Die Landesregierung verweise lediglich auf den schulpsychologischen Dienst. Dabei könnten auch Schulungen und Seminare den Lehrern helfen. Laut Fuchs klagen inzwischen auch zahlreiche junge Lehrer über zu große Belastungen im Schulalltag.
Nach Ansicht von Schaarschmidt sind gravierende Veränderungen im Bildungssystem nötig. Der Wissenschaftler empfiehlt unter anderem geringere Klassenstärken. Zudem müssten sich die Schulen verstärkt erzieherischen Aufgaben widmen. Dazu brauchten sie mehr Schulsozialarbeiter. Der Studie zufolge muss auch die Lehrerpopulation verändert werden. Im Schuljahr 2000/2001 waren 43 Prozent der Lehrer in Deutschland älter als 50 Jahre. Wenn die Großeltern- die Enkelgeneration unterrichte, blieben Akzeptanzprobleme nicht aus.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: