Brandenburg: Wer hat acht die Milliarden Bäume gezählt? In Eberswalde laufen alle Daten über den Deutschen Forst zusammen
Es steht gar nicht so schlecht um den deutschen Wald
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Eberswalde - Wenn Inventur ist wird vor allem eins gemacht: gezählt. Im Supermarkt müssen hunderte, wenn nicht tausende Produkte gelistet werden. Wer aber zählt die Bäume in Deutschland, wenn eine Waldinventur ansteht? In Eberswalde laufen die Daten aus der ganzen Nation zusammen, wenn es um die Statistik des Forstes geht. Die Mitarbeiter des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, das noch bis zu Beginn des Jahres Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft hieß, kennen sich genau aus und wissen was los ist mit den deutschen Wäldern. Sie sammeln sämtliche Werte über Baumbestand, Größe, Krankheiten, Schädigungen und Verhalten der Gehölze – rund 150 verschiedene Kriterien. Aber streifen die Wissenschaftler wirklich durchs Dickicht und zählen die Bäume? Es sind schließlich 8,7 Milliarden laut jüngstem Inventurbericht. „Im Prinzip ja“, sagt Andreas Bolte, Leiter des Eberswalder Instituts für Waldökologie und Waldinventuren.
Jeden einzelnen Baum können die Forscher natürlich nicht untersuchen. „Wir legen ein Raster über die Landkarte und kommen so zu Kreuzungspunkten, die jeweils vier Kilometer auseinander liegen“, erklärt Karsten Dunger, einer von Boltes Forscherkollegen. Nicht das komplette Quadrat werde untersucht, sagt Dunger, sondern daraus ein Inventurtrakt von 150 mal 150 Metern. 370000 Bäume haben die Trupps so während der vergangenen Inventur vermessen, erklärt Dunger. Ganze zwei Jahre habe das gedauert. Etwa zur Hälfte seien das alte Bekannte aus dem Jahr 1987 gewesen. Dass es schlecht bestellt ist um den deutschen Wald kann man nicht behaupten. „Bei relativ gleich bleibender Fläche und konstantem Baumbestand ist der Holzvorrat in Deutschland um 20 Prozent gestiegen“, sagt Dunger. Heißt: Deutsche Bäume sind innerhalb des Bemessungs-Zeitraumes kräftiger geworden. 1987 habe es die erste Waldinventur in den Alten Bundesländern gegeben und im Jahre 2002 die zweite in ganz Deutschland. Alle zehn Jahre wollen Boltes Leute den deutschen Forst nun unter die Lupe nehmen. 2012 soll es die nächsten Ergebnisse geben. Die skandinavischen Länder, weiß Bolte, inspizieren sogar alle fünf Jahre. „Im Moment bereiten wir zusammen mit den Forstanstalten aller Bundesländer die dritte deutsche Waldinventur vor“, sagt der Instituts-Chef.
Mit neuer Technik werden die insgesamt 100 Mitarbeiter in ganz Deutschland an den Start gehen. Passende tragbare Geräte müssen gefunden und eine einheitliche Software aufgespielt werden. Die Frist von zehn Jahren klingt plausibel, wenn man bedenkt, dass lediglich 100 Forst-Experten durch alle Wälder Deutschlands ziehen. Etliche Fragen müssen die Waldökologen, die auch als enge Berater dem Verbraucherschutzministerium auf Bundesebene zur Seite stehen, beantworten. „Wir müssen zum Beispiel herausfinden, wie sich die Klimaerwärmung auf bestimmte Baumarten auswirkt“, sagt Bolte. Sind ungünstige Bedingungen wirklich so schädigend, wie angenommen? Ist Wachstum immer gut und Entlaubung immer schlecht? Daran zweifeln die Forscher mittlerweile. Der Baum reagiere auf Extremsituationen schließlich genau so wie ein Mensch mit lebenserhaltenden Maßnahmen. „Zum Beispiel mit einer Notblüte oder indem er seinen Wasserverlust einschränkt“, nennt Bolte zwei Beispiele.
Bäume zählen und vermessen ist natürlich nicht die einzige Aufgabe des 30 Mitarbeiter starken Teams um Andreas Bolte. Abgesehen davon, dass die Waldexperten ständig in aller Welt zu Kongressen unterwegs sind, erstellt das Institut eine weitere Langzeit-Datenreihe: Den Bodenzustandsbericht, der zuletzt kurz nach der deutschen Wiedervereinigung herauskam. An weiteren 2000 Punkten in ganz Deutschland entnehmen Mitarbeiter dafür Proben und untersuchen diese auf ihren pH-Wert, Schwermetalle, Nährstoffe, Bodendichte, Wasserspeicherung sowie dutzende andere Parameter. Auch hierbei fließen die Daten allesamt nach Eberswalde. Noch in diesem Jahr soll die aktuelle Messreihe abgeschlossen sein.
„In Deutschland wird sehr verantwortungsvoll mit dem Schatz Wald umgegangen“, sagt Karsten Dunger, der im vorigen Monat bei der UN-Klimakonferenz in Bali mit von der Partie war. In Brasilien zum Beispiel werden immer noch riesige Flächen abgeholzt. „Pro Jahr etwa dreimal soviel, wie Brandenburg insgesamt hat."
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