ORTSTERMIN: Wer hat Angst vorm Asylanten?
Worüber redet man, wenn alles entschieden ist? Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) versucht es, diesmal in Wünsdorf, ein Ortsteil der Stadt Zossen.
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Worüber redet man, wenn alles entschieden ist? Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) versucht es, diesmal in Wünsdorf, ein Ortsteil der Stadt Zossen. Es ist Mittwochabend, bei der Einwohnerversammlung geht es um eine neue Erstaufnahmeeinrichtung des Landes für Flüchtlinge – und um mehr.
Schröter wirbt derzeit landauf, landab um Verständnis für neue Flüchtlingsunterkünfte. Ob Frankfurt (Oder), Doberlug-Kirchain (Elbe-Elster) oder Wünsdorf (Teltow-Fläming), Schröter verkündet überall dieselbe Botschaft: „Hätte es eine bessere Lösung gegeben – wir hätten sie realisiert.“ Doch es gibt keine bessere Lösung. 14 000 neue Asylbewerber werden in diesem Jahr in Brandenburg erwartet, 2014 waren es 6000. Land und Landkreise sind überfordert, die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt überlastet. Deshalb will Schröter in Wünsdorf, einst eine Kaserne, erst Zentrale des Deutschen Heeres, dann der Sowjets, jetzt Behördenstandort, eine Außenstelle einrichten. 500 Asylbewerber sollen dort ab Januar 2015 untergebracht werden, insgesamt 1200 werden es im Jahr darauf sein.
Ausgerechnet in Zossen, jahrelang Hochburg der Neonaziszene, bis die Behörden hart durchgriffen. Ein brauner Bodensatz ist immer noch da, sagen Experten. Mitte Mai verübten zwei Neonazis einen Brandanschlag auf die geplanten Asylunterkunft des Landes. Es blieb bei kleinen Schäden.
„Wir hoffen mit dieser Veranstaltung für ihr Verständnis werben zu können“, Schröters Stimme hallt von den hohen Decken der Sporthalle wider. Es sind weniger Anwohner gekommen, als erwartet, wohl auch wegen der Einladungspolitik des Ministeriums. Für tausend direkte Anwohner galt Einlasspriorität, anderen Zossenern wurde erklärt, sie würden wohl keinen Platz finden. Auch sonst herrscht Resignation. Eine Wünsdorferin erklärt: „Warum sollte ich da rein gehen? Es ist doch eh schon alles entschieden.“ 550 Plätze gibt es auf den Bierbänken in der Halle für die Anwohner, die Polizei zählte am Ende nur 300.
Laute Zwischenrufe gibt es kaum. Schröter redet wie ein Betriebsrat, der einen Stellenabbau verkündet. Die Wünsdorfer äußern Ängste, Sorgen, Vorurteile, sie fordern Polizeischutz, eine bessere Straßenbeleuchtung. Schröter bleibt stoisch-sachlich. Er habe mitbekommen, dass es hier im Ort bereits Einbrüche gab, als noch kein Flüchtling in Zossen wohnten. So richtig dringt er nicht durch bei den Anwohnern. „Bekommen wir Jalousien um uns zu schützen?“ fragt eine Anwohnerin. „Werden Flüchtlinge, die sich an deutschen Frauen vergehen, strafrechtlich verfolgt?“. Es gleitet ab ins Weltpolitische, es geht um Gutmenschen und manipulierte Medien. Ein Anwohner sagt: „In der BRD kann man nicht mehr frei seine Meinung äußern“. Oder: Wenn die Afrikaner ihr Geld für ihr Land anstatt für die Flucht ausgeben würden, ginge es ihnen besser. Und dann die Frage, wann die Flüchtlinge Zapfenstreich haben. Schröters Antwort: „Wir sind nicht bei der Armee. Wir bauen keine JVA.“ Schröter sagt, es wird weitere Veranstaltungen geben. „Emotionen kann man beim Fußball haben, aber nicht beim Flüchtlingsthema.“
Torben Lehning
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