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Brandenburg: Wettlauf mit dem Klapperstorch

Bundesweit einziger „Storchenwagen“ soll abgeschafft werden / Risikogeburten könnten steigen

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Bundesweit einziger „Storchenwagen“ soll abgeschafft werden / Risikogeburten könnten steigen Von Christine Xuân Müller Berlin. Deutschlands einzigem so genannten „Storchenwagen“ droht das Aus. Seit fast 22 Jahren gibt es in Berlin einen speziellen Rettungswagen, um in Notsituationen hochschwangere Frauen rechtzeitig in die Klinik zu bringen. Allein im vergangenem Jahr waren die Geburtshilfe-Wagen (GHW) mehr als 3800 Mal im Einsatz. Nun soll der „rollende Kreißsaal“ abgeschafft werden. Rettungskräfte und Hebammen befürchten dadurch künftig einen Anstieg der Zahl von Risikoentbindungen und Todgeburten in der Hauptstadt. Zweck des „Storchenwagens“ sei es, „schnell vor Ort zu sein, eine genaue Diagnose zu stellen und rasch die geeignete Klinik für Mutter und Kind zu erreichen“, erläutert die dienstälteste GHW-Hebamme Christel Nerling ihren Job. Wenn aber eine Blitzgeburt droht, sorgen die Mitarbeiter des „Storchenwagens“ dafür, Mutter und Baby die medizinisch bestmöglichste Entbindung an Ort und Stelle - zu Hause oder gar am Straßenrand - zu ermöglichen. Ursprünglich war der GHW eine Erfindung aus DDR-Zeiten, die nach der Wende von Geburtsmedizinern und Berliner Politikern für gut befunden und deshalb 1994 auch auf Westberlin ausgedehnt wurde. Seitdem sind zwei „Storchenwagen“ unterwegs. Andere Metropolen wie München oder Köln beneiden die Hauptstadt um den „rollenden Kreißsaal“. Mit durchschnittlich rund 29 000 Geburten im Jahr hat Berlin deutschlandweit allerdings auch die höchste Neugeborenenzahl, weshalb der „Storchenwagen“ bislang besonders an der Spree lohnend zum Einsatz kam. Aus Sparzwängen will die Krankenhausgesellschaft Vivantes ab 1. Januar 2004 jedoch die zwei „Storchenwagen“ kurzerhand abschaffen. Die Kosten der GHW in Höhe von 500 000 Euro im Jahr würden von den Krankenkassen nicht mehr gegenfinanziert, sagt Vivantes-Sprecherin Fina Geschonneck. In der Tat sind die Berliner Krankenkassen mehrheitlich mit der Wegrationalisierung einverstanden. „Es wird keine Bedarfsnotwendigkeit für die GHW gesehen“ begründet die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Krankenkassenverbände Gabriele Rähse. In Notfällen sollen künftig anstelle des Storchenwagens die üblichen Rettungswagen oder Notarztwagen zum Einsatz kommen. Dies könnte allerdings erheblich teuer werden. „Ein Rettungswageneinsatz kostet derzeit 281,43 Euro, ein Einsatz des Notarztwagens kostet sogar 672,34 Euro“, betont der Leiter des Referates Rettungsdienst bei der Berliner Feuerwehr Bernd Krause-Dietering. Zum Vergleich: Die Kosten eines Storchenwageneinsatzes liegen bei 242,48 Euro. Zudem dürfte es für Rettungssanitäter, die den Angaben zufolge in ihrer Ausbildung lediglich acht Stunden im Bereich „Gynäkologie und Geburtshilfe absolvieren“, schwer fallen, die Arbeit der Hebammen zu ersetzen. Weil der „Storchenwagen“ bislang vor allem auch bei Notsituationen von Schwangeren aus sozialen Brennpunkten zum Einsatz kam, fürchtet Krause-Dietering nach dem Wegfall des GHW einen Anstieg der Todesfälle rund um die Geburt. Ähnlich sieht es auch die Mehrheit der Geburtsmediziner in der Hauptstadt. In einer aktuellen Umfrage plädierten 13 von 18 Berliner Kliniken mit Geburtshilfeabteilung für den Fortbestand des Storchenwagens. Nach Angaben des Berliner Innensenats findet derzeit noch ein „Informationsaustausch“ rund um die drohende Abschaffung des „Storchenwagens“ statt, sagte eine Sprecherin. Die Zeit drängt allerdings. Mehrere Berliner Privatpersonen haben deshalb einen „Förderverein Storchenwagen“ gegründet. Sie wollen für den Erhalt des GHW kämpfen. Unter www.rettet-den-storchenwagen.de können alle interessierten Berliner unterstützend beitragen, sagte Initiator Christian Isensee.

Christine Xuân Müller

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