Brandenburg: Wieder vom Gericht zurecht gewiesen
Das Landesverfassungsgericht maßregelt die Landesregierung und stärkt Rechte der Abgeordneten und Kreise – zum wiederholten Male
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Potsdam - Das Landesverfassungsgericht hat gestern in zwei Urteilen der Landesregierung deutlich die Grenzen der eigenen Herrlichkeit aufgezeigt und Parlament und Kommunen eindeutig gestärkt. Im ersten Urteil untermauerten die Richter ausdrücklich die Rechte von Landtagsabgeordneten gegenüber der Regierung und Landesbehörden. Im zweiten Urteil wiesen sie zwar die Verfassungsbeschwerde zweier Landkreise gegen das Land zurück, gaben den klagenden Kreisen aber in der Sache recht.
Im ersten Fall ging es um Besuchsanträge des Landtagsabgeordneten Stefan Sarrach (Linke), der mit Häftlingen in Justizvollzugsanstalten sprechen wollte. Die Regierung habe mit der Art und Weise der Prüfung „den Abgeordneten in seinem Zugangsrecht in Verbindung mit der Gewährleistung des freien Mandats verletzt“, hieß es in dem am Montag verkündeten Urteil. Aktenzeichen: VfGBbg 53/06
Wie aus internen Unterlagen des Justizministeriums hervorging, hatte man ihm die Besuche nur genehmigt, da er sich bisher nicht unkritisch über den Gefangenen, den er besuchen wollte und der Anschuldigungen gegen die Gefängnisleitung erhoben hatte, geäußert habe. Unabhängig davon, dass Sarrach dem Mann besuchen durfte, so das Verfassungsgericht gestern, stehe dem Land eine solche Überprüfung und Abwägung nicht zu. Die Landesregierung habe gegen Artikel 56 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 der Landesverfassung verstoßen. Sarrach hatte argumentiert, wenn das Justizministerium seine Entscheidung über einen Besuchsantrag davon abhängig mache, wie der Abgeordnete öffentlich zur Vollzugssituation Stellung genommen hat, werde seine Mandatsausübung einer Beurteilung unterzogen.
Das Kontrollrecht der Abgeordneten umfasse nicht nur Behörden sondern auch die Haftanstalten, so das Gericht. Abgeordnete, die die Landesregierung und deren Behörden kontrollieren sollen, müssten von dem Kontrollrecht möglichst wirksam Gebrauch machen können und hätten grundsätzlich ein Zugangsrecht auch für Gefängnisse, auch wenn im Einzelfall etwa abgewogen werden müsse, ob der Besuch das Ziel der ebenfalls in der Verfassung verankerten Resozialisierung gefährden könnte. „Die Genehmigung des Besuchs eines Gefangenen kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob und inwieweit sich ein Abgeordneter für die Ziele eines Gefangenen verwendet oder diesem zu einem Forum der Öffentlichkeit verhilft.“
Sarrach hatte nach einem Medienbericht über angebliche Missstände in der JVA Brandenburg/Havel beim Leiter einen Besuch angekündigt. Der wandte sich mit seinen Bedenken gegen die Gespräche an das Justizministerium.
Sarrach wertete die Entscheidung als großen Erfolg, der weit über das Land hinausweise. So habe das Gericht klargestellt, dass der Abgeordnete die Regierung kontrolliere, nicht umgekehrt. „Das Urteil hat die Rechte der Abgeordneten gestärkt und festgezurrt“, sagte Sarrach. Er habe bereits Anfragen von Abgeordneten anderer Bundesländer. Die Landesregierung sprach knapp von einer Klarstellung des Gerichts.
Im zweiten Urteil des Tages maßregelten die Verfassungsrichter zum wiederholten Male den Umgang des Landes mit den Landkreisen und stellten klar, dass das Land nicht immer neue Aufgaben an die Kreise übergeben könne, ohne sich angemessen den Kosten zu beteiligen.
Aktuell ging es um die finanzielle Beteiligung des Landes an Sozialleistungen für alte und behinderte Menschen. Das Gericht wies am Montag zwar eine entsprechende Verfassungsbeschwerde der Landkreise Havelland und Uckermark ab, betonte aber zugleich, dass sich das Land für die Jahre 2005 und 2006 an diesen Kosten beteiligen müsse.
Die Kreise hätten mit der Verfassungsklage einfach nur das falsche Rechtsinstrument gewählt, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin des Landkreistages Brandenburg, Jutta Schlüter, den PNN. Das Gericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die Kreise in der Sache Recht haben. Parallel sei bereits eine Klage gegen das Land vor dem Landessozialgericht eingereicht, so Schlüter. Mit dem gestrigen Urteil hätten Kreise und kreisfreie Städte eine Rechtsgrundlage zur gerichtlichen Durchsetzung entsprechender Forderungen gegen das Lands, teilte das Verfassungsgericht mit. Aktenzeichen: VfGBbg 76/05
Strittig war zwischen Land und Kreisen die Übernahme von Kosten für die sogenannte Grundsicherung für arme Altersrentner und für Menschen, die nach einem Unfall oder von Geburt an behindert sind, deshalb nicht allein für ihren Lebensunterhalt sorgen können und die in Heimen leben. Bis 2002 erhielten sie Leistungen, die in Brandenburg aus Landesmitteln gezahlt worden waren. Mit der Gesetzesänderung übernahmen 2003 und 2004 die Landkreise die Zahlungen und erhielten 65 Prozent der Kosten vom Land zurück. Nach einer erneuten Gesetzesänderung verweigerte Brandenburg diese Zahlungen im jetzt strittigen Zeitraum 2005 und 2006. Auch 2007 beteiligte sich das Land nicht an den Kosten – allerdings wieder auf ein anderen Rechtsgrundlage. Auch dagegen haben Kreise Klage eingereicht. dpa/ddp/pet
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