
© Nigel Treblin/dapd
Brandenburg: „Wir könnten mehr Bio verkaufen“
Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, über eine grünere CDU, Dioxin-Eier und Schwächen beim Ökolandbau in der Region
Stand:
Herr Wimmer, Brandenburgs CDU hat einen Paradigmenwechsel in ihrer Agrarpolitik angekündigt – hin zu mehr Biolandwirtschaft und den kleineren bäuerlichen Betrieben. Hat sich die CDU auch schon bei Ihnen gemeldet?
Tatsächlich gab es mit der CDU bisher keine intensiveren Gespräche. Aber auch anderen wie etwa dem Bauernverband fällt noch immer schwer zu akzeptieren, dass der Ökolandbau ein eigenes Profil, eigene Anforderungen und damit auch eine eigene Interessenvertretung hat. Da bleiben wir aber dran.
Verlierer des Positionspapiers sind große Landwirtschaftsbetriebe. Zählt die Biobranche damit zu den Gewinnern?
Nicht zwingend. Grundsätzlich haben wir im Biobereich, entgegen den gängigen Vorstellungen, eine sehr gemischte Betriebsstruktur. Es gibt Familienbetriebe und kleine GbRs, aber auch größere Genossenschaften. Also praktisch die gleiche Struktur wie im konventionellen Landbau. Gerade im Bereich Grünland gibt es sehr effizient arbeitende Biobetriebe mit bis zu 4000 Hektar.
Ist der Ansatz der CDU aus Ihrer Sicht generell richtig?
Der Ansatz geht grundsätzlich in die richtige Richtung und es ist begrüßenswert, dass sich die CDU in diese wichtige Diskussion einschaltet. Wenngleich Subventionen der Europäischen Union an Betriebe künftig noch viel stärker als bisher an gesellschaftliche Leistungen, wie etwa Beiträge zum Klimaschutz, zur Biodiversität oder die Schaffung von Arbeitsplätzen, gekoppelt werden müssen. Und da suggeriert das CDU-Papier lediglich, dass kleine bäuerliche Betriebe hier mehr leisten. Das trifft in der Tendenz wohl zu, wird aber vielen größeren Bio-Betrieben, die diese Leistungen erbringen, nicht gerecht. Der alleinige Fokus auf die Betriebsgröße ist mir also zu kurz gegriffen.
Wo liegen die Schwächen des Papiers?
Ich denke, das Papier geht zu wenig auf grundsätzliche Fragen ein: Wo sind wirklich die Stärken und Schwächen der brandenburgischen Agrarstruktur und welche Schlussfolgerungen müsste man daraus ziehen. Etwa die Entwicklung im Bereich Bioenergie und die damit verbundene enorme Nachfrage nach Agrarflächen, insbesondere von außerlandwirtschaftlichen Fonds oder Kapitalgebern. Wollen wir das überhaupt? Und wenn nicht, wie müsste man dagegen steuern. Das Thema Gentechnik wird ebenfalls nur am Rand angesprochen. Ebenso die Frage, wie wir mit dem Klimawandel, der uns gerade auf den sandigen Böden Brandenburgs in den nächsten Jahren noch stärker treffen wird, umgehen.
Durch Neuregelungen bei der Ausschreibung von Bundesflächen durch die BVVG soll doch gerade den Agrarflächen-Spekulanten ein Riegel vorgeschoben werden.
Ich würde aber noch weiter gehen und ein Verkaufsmoratorium fordern, bis sich der Boom gelegt hat. Entscheidend aber ist, beim Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) so schnell wie möglich Nachjustierungen gibt. Wenn wir dort nichts ändern, wird weiter außerlandwirtschaftliches Kapital in die Region drängen und versuchen, Maximalrenditen zu erreichen. Egal ob das in die Region passt und welche Auswirkungen der einseitige Maisanbau auf Fruchtfolge oder Bodenerosion hat. Man hat hier eine gefährliche Übersteuerung.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von der Politik?
Aktuell könnten wir in vielen Bereichen mehr verkaufen, wenn wir es denn hätten: Daher brauchen wir eine Unterstützung der Betriebe, um gezielter und schneller genau die Produkte zu erzeugen, die der Markt braucht. Gleichwohl ist es sinnvoll, mehr als bisher in die Vermarktung, insbesondere aber in die Verbraucherinformation zu investieren. Das ist die nachhaltigste Form der Förderung, um den Ökolandbau weiter auszubauen und mit weniger staatlichen Subventionierung auf eigene Beine zu stellen.
Wie wichtig ist ein klares „Nein“ zur Gentechnik für ein gutes Miteinander von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft?
Ein klares Bekenntnis würde dafür sorgen, dass wir in den Gemeinden auf dem Land die Diskussionen ad acta legen können. Auf der Sachebene ist eine friedliche Koexistenz nur schwer vorstellbar, weil damit unverhältnismäßig hohe Kosten für Abgrenzung und Kontrollen einhergehen, die einfach in keinem Verhältnis zum angeblichen Nutzen stehen.
Erneut hat ein Lebensmittelskandal der Biobranche in die Hände gespielt. Gibt es noch frische Bioeier in der Region?
Seit dieser Woche haben wir wegen der starken Nachfrage tatsächlich spürbare Engpässe, vor allem bei Eiern, aber auch bei Geflügel- und Schweinefleisch. Das ist aber ein gutes Zeichen, denn wäre es anders, müsste man sich fragen, wo denn all die Bioeier plötzlich herkommen. Seit Jahren beobachten wir, dass mit jeder größeren Diskussion, jedem weiteren Skandal immer mehr Verbraucher wachgerüttelt werden und verstärkt zu Bio greifen. Auch wenn der anfängliche Umsatzschub nach ein paar Wochen ein bisschen abflacht, bleiben die Umsätze zuverlässig auf einem höheren Level als vorher.
Im vergangenen Jahr war auch die Biobranche von einem Dioxin-Skandal betroffen. Steigt die Anfälligkeit nicht mit dem Wachstum der Branche?
Wir sind ja nicht mehr in der sogenannten Nische und wollten diese ja auch verlassen. Dann ist es zwangsläufig so, dass die Rohstoffströme und auch die Lieferketten ein Stück weit größer, anonymer und weniger transparent werden. Entsprechend investiert die Branche konsequent in Qualitätskontrolle und Rückverfolgungssysteme, um sich gegen menschliches Versagen oder Betrügereien einzelner abzusichern. Auf der anderen Seite ist aber auch der Gesetzgeber gefragt, in gleichem Maße die Kontrollen zu verschärfen und Betrugsfälle noch konsequenter zu verfolgen und zu bestrafen.
Hoteliers beklagen, dass nicht genügend Bioprodukte verfügbar sind. Warum kann nicht ausreichend produziert werden?
Tatsächlich ist der Bioumsatz im Bereich Hotellerie, Gaststätten, Kantinen und Mensen in den vergangenen Jahren in Größenordnungen von bis zu 60 Prozent gewachsen. Aber im Vergleich zum Einzelhandel sind wir hier noch in der Nische und es fehlt noch an der nötigen Angebotsstruktur. Die Anforderungen, die etwa ein Küchenchef an Fleisch oder Gemüse hat, ist eine gänzlich andere als im Einzelhandel. Für die Hotel- und Restaurantküchen müssen die Waren stärker standardisiert sein, gewisse Produkte, wie zum Beispiel Kartoffeln, müssen vorverarbeitet sein. Zudem erwarten Gastronomen einen anderen Service und haben andere Anforderungen an die Logistik. Aber daran arbeiten wir.
Demnächst findet die Grüne Woche statt. Bio-Anbieter sind seit Jahren fester Bestandteil in der Brandenburg-Halle. Lohnt sich der Aufwand?
Der Aufwand lohnt sich, weil die Messe uns Gelegenheit bietet, direkt mit dem Endverbraucher, aber auch mit der Politik ins Gespräch zu kommen. In der Brandenburg-Halle ist vor allem die Kombination aus Bio und regional spannend: Beides können wir bedienen, das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Außerdem ist die Grüne Woche ein wichtiges Stimmungsbarometer. Gerade in diesem Jahr ist davon auszugehen, dass uns der Dioxin-Skandal viele Nachfragen und spannende Diskussionen beschert.
Das Gespräch führte Matthias Matern
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