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Stillstand. In der Hauptstadtregion erfolgen nach Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums rund 17 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene  wenn die Züge fahren.

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Von Matthias Matern: Wirtschaft warnt vor Bahnstreik

Unternehmen und Verbände befürchten Produktionsengpässe. Vor allem Stahlindustrie wäre betroffen

Von Matthias Matern

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Potsdam/Berlin - Die Ankündigung der Lokführergewerkschaft GDL, sich bei ihren Streiks vor allem auf den Güterverkehr konzentrieren zu wollen, stößt auch bei Verbänden und Unternehmen in der Hauptstadtregion auf Kritik. Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, bezeichnete die Ansage als „absolut unerträglich“. „Sollte auch der Güterverkehr bestreikt werden, wird die wirtschaftliche Zukunft der Region belastet“, sagte Wunschel den PNN. Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände (UVB), mahnte die Gewerkschaft zur Vernunft. „Die Wirtschaft befindet sich gerade in einer Erholungsphase. Da ist jede Störung schädlich“, warnte Amsinck.

Ein Tag nach der Urabstimmung der Lokführer hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), Sven Grünwoldt, am Dienstagfrüh verkündet, in der laufenden Woche solle vor allem der Schienengüterverkehr bestreikt werden. Nach dem Lieferverkehr auf der Straße ist die Bahn das zweitwichtigste Transportmittel der Wirtschaft. In der Hauptstadtregion erfolgen nach Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums rund 17 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene. Mit einer Bewertung der GDL-Ankündigung hielt sich das Ministerium gestern jedoch zurück. „Mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaft sind noch völlig offen“, hieß es lediglich.

Für Christian Amsinck hingegen liegen die Folgen auf der Hand: „Die Unternehmen haben sich weitgehend von der Lagerhaltung verabschiedet und sind auf „Just-in-Time“-Lieferungen angewiesen“, erläuterte der Verbandschef gegenüber den PNN. Sollte es zu Verzögerungen beim Nachschub von Rohstoffen oder von für die Fertigung wichtige Teile kommen, sei mit Produktionsbehinderungen zu rechen. Da die Lkw-Kapazitäten der Speditionen begrenzt seien, könnten Unternehmen nur schwer kurzfristig auf streikbedingte Engpässe reagieren, meint Amsinck. Der Schienengüterverkehr sei für die regionale Wirtschaft ein „zentraler Faktor“, ergänzte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes, Wunschel. Zudem habe sich die Region das Ziel gesetzt, Logistik-Drehscheibe Europas zu werden. Streiks im Güterverkehr würden bei Unternehmen Zweifel an der Verlässlichkeit der Infrastruktur schüren, warnte Wunschel.

Deshalb hält auch Rüdiger Hage, Geschäftsführer der Infrastruktur- und Projektentwicklungsgesellschaft mbH (IPG) aus Potsdam, die Zielrichtung des GDL -Streiks für „völlig unangemessen“. Unbeteiligte Unternehmen würden in Mitleidenschaft gezogen. Die IPG entwickelt und vermarktet im Auftrag der Kommunen die großen Güterverkehrszentren (GVZ) des Landes, darunter etwa das GVZ Großbeeren (Teltow-Fläming) und das GVZ Wustermark (Havelland). Dort werden containerweise Waren von der Schiene auf Lkw verladen und zu den Unternehmen gebracht. „In Großbeeren treffen täglich Containerzüge aus den großen Überseehäfen in Hamburg und Bremerhaven ein. Wenn die ausfallen, kann es zu Engpässen kommen“, glaubt auch Hage. Rund 70 000 mittelgroße Container pro Jahr werden auf dem Schienenweg nach Großbeeren geliefert. Unter anderem haben große Handelsketten wie Aldi, Rewe und Lidl am Standort Logistikzentren errichtet. „Ein Streik über ein oder zwei Tage wäre vielleicht noch zu verkraften. Ein Arbeitskampf über eine Woche könnte zu ernsten Problemen führen“, so der IPG-Geschäftsführer gestern.

Besonders betroffen wäre die Stahlindustrie. Neben Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) unterhält auch die italienische Riva-Gruppe im Land Brandenburg zwei Stahlwerke; in Hennigsdorf (Oberhavel) und in Brandenburg/Havel. Die deutsche Dachorganisation der Branche, die Wirtschaftsvereinigung Stahl, warnte gestern bereits vor Folgen für die Stahlkocher. „Ein längerer Streik im Schienengüterverkehr könnte den Stahlunternehmen erhebliche Probleme bereiten“, hieß es in einer Erklärung. Etwa die Hälfte der Transportgüter der Branche würden mit der Bahn befördert. Somit sei die Stahlindustrie in hohem Maße auf den Schienengüterverkehr angewiesen.

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