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Von Andreas Wilhelm: Wunder von Altkünkendorf

Wie ein Eltern-Verein aus Berlin-Steglitz es geschafft hat, mehr als eine halbe Million Euro für ihr Schullandheim in der Uckermark zu sammeln

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Altkünkendorf - An die vielen Berliner Nummernschilder dürften sich die Altkünkendorfer schon gewöhnt haben. Dennoch sollte der kleine Ortsteil von Angermünde, lauschig in der Schorfheide gelegen, am Wochenende einen besonderen Ausnahmezustand erleben. Dort wird nämlich nach fünfzehn Jahren Bauzeit das Schullandheim des Gymnasiums Berlin Steglitz eröffnet. Mehr als 500 Leute dürften in Jubelgeschrei ausbrechen. Denn alle haben die Erfolgsgeschichte miterlebt, die sich in dem uckermärkischen Ort in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten abgespielt hat. Abgesehen davon, dass das Haus mit seinen 35 Betten zum größten Teil in Eigenleistung der Eltern entstand, hat der Förderverein 600000 Euro an Spenden eingenommen, mit denen die Sanierung der ehemaligen Ruine am Wolletzsee nun ein Ende findet.

Kurz nach der Wiedervereinigung war es, als ein Anwalt aus Steglitz namens Helmut Sieglerschmidt gebeten wurde, eine Rückübertragung abzuwickeln. Besitzer des alten uckermärkischen Gutes ist nach der Wende wieder der nach Houston/Texas ausgewanderte Wolfgang Gesch geworden. Wegen der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft vor dem Mauerbau war seine Familie mit ihm geflüchtet, als er zwei Jahre alt war. Nun hatte der Texaner ein Grundstück in der Uckermark. Die Kinder des Anwalts gingen auf das Steglitzer Gymnasium, wo die Eltern schon lange von einem Schullandheim träumten. Und so wurden sie Pächter. Pachtsumme: Null Euro.

Am Anfang schufteten nur die Eltern. Für ihre Kinder war den Steglitzern kein Weg zu weit, kein Stein zu schwer und kein Griff in den Geldbeutel zu tief. „Doch ohne die Hilfe von Firmen ging es auf Dauer nicht“, sagt Ramona Sieglerschmidt. Sie ist für den Verein Gold wert – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Vizechefin des Vereins und Frau des Anwalts scheint zu wissen, wie man Leute bezirzt, doch ein bisschen spendabel zu sein. „Für eine gute Sachen zu betteln, macht richtig Spaß“, sagt sie. Und Sachspenden seien leichter einzuwerben als Geld, so ihre Erfahrung. Erst neulich habe sie während einer Party den Chef eines großen Berliner Möbelhauses gebeten, die Küche für das Schullandheim zu sponsern. Zack – jetzt steht eine Küche im Wert von 30 000 Euro im Untergeschoss in Altkünkendorf. So seien fast alle Möbel gespendet, sagt Sieglerschmidt. Neu müssen sie sein. „Wenn wir mit gebrauchten Möbeln anfangen, schleppt jeder was von seiner Oma an.“ Außerdem solle die Herberge auf dem 5700 Quadratmeter großen Anwesen hohen Ansprüchen genügen.

Auch Fernsehmoderator Günther Jauch kennt Altkünkendorf. Weil er das Steglitzer Gymnasium besuchte und seine Kinder dort lernten, hat er mehrere Sommerfeste in Altkünkendorf moderiert. Bei den Tombolas zog er die Lose. Zu gewinnen gab es immer kostspielige Produkte – gespendet von Eltern und Mitgliedern. Und auch von Jauchs Konto kamen einige Überweisungen. Beim Sommerfest 2007 kündigte er an, jeden Euro, der bis Ende des Jahres im Spendentopf lande, zu verdoppeln. 6000 Euro waren es allein an diesem Tag geworden.„Im Schullandheim fehlen jetzt nur noch die Lampen“, sagt Ramona Sieglerschmidt. Und auf dem Konto stehe eine Null. Zur Einweihung am heutigen Samstag, zu der auch Ministerpräsident Matthias Platzeck erwartet wird, kommt bestimmt das Geld dafür zusammen.

Die Übernachtung im Schullandheim soll 18 Euro inklusive Vollpension kosten, 35 Kinder haben Platz, Reservierungen unter 03076007252, www.gymnasiumsteglitz.de Spendenkonto: Berliner Volksbank Kto: 331 031 40 12 BLZ: 100 900 00 Stichwort: Schullandheim

Andreas Wilhelm

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