Brandenburg: „Zahl der Klagen bleibt hoch“
Die Präsidentin des Landessozialgerichtes zieht Bilanz
Stand:
Andere Sozialgerichte in Deutschland melden einen Rückgang der Fälle. Ist dies in Brandenburg ebenso?
Nein. Entgegen dem Bundestrend bleibt die Zahl der Klagen an unseren vier Sozialgerichten hoch. Allein bis Ende September sind knapp 11 850 Verfahren eingegangen. Hochgerechnet auf das Jahr 2013 sind dies 15 800 – und damit etwa so viele Fälle wie im Vorjahr. Die Anzahl offener Hartz-IV-Klagen ist bei den vier Gerichten bis Ende September auf knapp 20 770 angestiegen. Zu Jahresbeginn waren es noch rund 19 660.
Was ist der Grund?
Wir haben auch keine wirklich plausible Erklärung für die Entwicklung. Sicherlich trägt dazu ein besonders hohes Klageaufkommen beim Sozialgericht Cottbus bei, wo sich ein Anwalt spezialisiert hat auf Hartz-IV-Verfahren und gezielt gegen das Jobcenter vorgeht. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir nach wie vor eine hohe Anzahl von sogenannten Aufstockern haben. Diese Fälle sind aufwendig in der Bearbeitung.
Erwarten Sie eine Besserung mit der im Koalitionsvertrag von CDU und SPD verankerten Einführung des Mindestlohns?
Nein. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro hört sich zunächst toll an. Reichtümer verschafft dieser aber auch nicht, wenn man nüchtern rechnet. Es wird weiterhin viele Menschen geben, die auf Unterstützung des Staates angewiesen sind.
Zum Jahresbeginn 2012 hatten Sie Alarm geschlagen. Im Anschluss gab es Personalverstärkung. Hat dies geholfen?
In jedem Fall. Die Situation an den vier Sozialgerichten in Land hat sich etwas entschärft. Angesichts der personellen Verstärkung steigen die Erledigungszahlen. Die neuen, jungen Richter sind hochmotiviert und schaffen viel weg. Allerdings liegt die Anzahl neuer Verfahren in der ersten Instanz immer noch deutlich über den Erledigungszahlen. Bei uns, der Berufungsinstanz, hat die Zahl neuer Fälle leicht abgenommen. Zugleich konnten mehr Fälle abgeschlossen werden als im Vorjahr.
Die anhaltende Klagewelle führt dazu, dass Rechtssuchende immer länger auf ein Urteil warten müssen. Was ist die Folge?
Wir verzeichnen eine spürbare Zunahme von Klagen, weil die Verfahren zu lange dauern. Derzeit gibt es beim Landessozialgericht 84 offene Verfahren, mit denen sich Betroffene gegen überlange Gerichtsverfahren wehren. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die neue Entschädigungsregel bei überlanger Verfahrensdauer weniger von den Menschen genutzt wird, für die das Gesetz eigentlich gedacht ist. Vielmehr fühle ich mich in meiner Befürchtung bestätigt, dass das Gesetz ausgenutzt wird von klagefreudigen Menschen. Es gibt allerdings auch Verfahren, bei denen das Land verurteilt wurde, weil die Prozesse zu lange gedauert haben.
Das Gespräch führte Marion van der Kraats
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