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Seltene Funde in Ribbeck: Zeitreise im feuchten Lehm

In Ribbeck entdeckten Archäologen 36 Gräber aus dem 11. Jahrhundert. Zudem stießen sie auf Funde, die noch viel älter sind – eine Spur reicht in die Bronzezeit

Von Matthias Matern

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Ribbeck - Während wenige Meter entfernt der Schwerlastverkehr über die Bundesstraße 5 brettert, legt Doreen Jindra mit behutsamen Pinselstrichen rund 3000 Jahre brandenburgischer Siedlungsgeschichte frei. Immer wieder greift die junge Archäologiestudentin aus Berlin zu einem kleinen Spachtel und trennt den feuchten Lehmboden von den bleichen Gebeinen. Bereits mehrere Skelette hat das Grabungsteam vollständig freigelegt. Überall flattern rot-weiße Absperrbänder im Wind, kleine Hinweisschilder im Erdboden markieren weitere Fundstellen. Auf einem rund 300 Quadratmeter großen Areal bei Ribbeck im Havelland haben Wissenschaftler des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und das Archäologische Landesmuseum insgesamt 36 Gräber aus der slawischen Besiedlungszeit gefunden. Nach Meinung der Experten stammen sie aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. „Das ist der größte Gräberfund aus slawischer Zeit im Havelland seit rund 20 Jahren“, freut sich Jens May, beim Landesdenkmalamt zuständig für das Havelland.

Doch sogar auf noch ältere Spuren sind die Archäologen an gleicher Stelle gestoßen: Rund 800 Jahre bevor slawische Siedler bei Ribbeck ihre Toten bestatteten, haben germanische Handwerker dort Eisenerz verhüttet, sind sich die Forscher sicher. Was für den Laien lediglich wie kohlschwarze Mulden im hellen Lehmboden aussieht, ist für die Archäologin Diana Megel von der Grabungsfirma ABD-Dressler aus Glienicke in Oberhavel ein eindeutiger Beweis für wenigstens zwei Schmelzofen germanischer Bauart. „Zuerst wurde in einem Meiler Holzkohle hergestellt und dann aus Brandlehm eine Art Schlot gebaut. Dort wurde die Holzkohle dann hineingeworfen und in der Glut das Eisen aus dem Erz geschmolzen“, erläutert Megel. Das Archäologiebüro ABD-Dressler ist vom Landesamt mit der Freilegung, Erfassung und Sicherung der Fundstelle beauftragt worden. Insgesamt drei Öfen haben Megel und ihre studentischen Grabungshelfer bereits gefunden. Zweieinhalb Wochen hat das Team noch Zeit, dann wird gebaut. Auf dem Gelände soll ein Besucherparkplatz für das nahe Schloss Ribbeck entstehen.

May zufolge stammen die Öfen aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christus, also aus der Blütezeit der römischen Kaiser. Der Einfluss des Römer nördlich der Alpen aber endete damals mehr oder weniger am Limes, jener Grenzanlage, die sich über mehr als 500 Kilometer unter anderem durch das heutige Süddeutschland zog und das römische Reich vor Überfällen aus dem freien Germanien schützen sollte. Entsprechend spärlich sind die Auskünfte antiker Geschichtsschreiber über die genauen Siedlungsgebiete einzelner germanischer Stämme östlich der Elbe. Havelland-Experte Jens May aber schätzt, dass die Öfen von Handwerkern der Semnonen errichtet worden sind, einem bedeutenden germanischen Zweigstamm der elbgermanischen Sueben.

Bemerkenswert sind die Ofenfunde von Ribbeck nach Mays Meinung, weil es im Havelland sonst kaum Hinweise für germanische Eisengewinnung gibt. „Das muss so etwas wie eine lokale Spezialität gewesen sein“, glaubt der Wissenschaftler. Im Gebiet der heutigen Lausitz dagegen hätten Germanen die Verhüttung fast im „industriellen Maßstab betrieben.“ So legten Archäologen erst vor rund drei Jahren bei Jänschwalde eine komplette germanische Siedlung aus dem 3. oder 4. Jahrhundert frei. Neben Brunnen, Wohnhäusern und einer Mühle entdeckten die Forscher auch Reste einer Schmiede, in der sogar römische Münzen, vermutlich als Tauschware, in die Region gekommen und zu Schmuck weiterverarbeitet worden war.

Solch filigranes Handwerk hätten die Semnonen aus Ribbeck vermutlich nicht gefertigt, meint May. „Es werden eher Haushaltsgegenstände oder kleinere Messer gewesen sein.“ Bei dem Rohstoff handele es sich um sogenanntes Raseneisenerz, das in den nahen Feuchtwiesen des Havelländischen Luchs aufgesammelt worden sei.

Außer den verkohlten Mulden und einigen Klumpen Schlacke war von den Semnonen aus Ribbeck jedoch nichts weiter zu entdecken. „Es hat bestimmt auch eine Siedlung gegeben. Die ist aber mit Sicherheit komplett zerstört worden“, meint der Experte vom Landesdenkmalamt.

Reichhaltiger sind die Funde aus der Ribbecker Slawenzeit, wenn auch hier Hinweise auf eine Siedlung bislang fehlen. Auf einem Klapptisch haben die Archäologen die frisch ausgegrabenen Exponate teils in kleinen Plastiktüten verpackt ausgelegt. Darunter auch ein zerbrochenes Tongefäß, einst als Grabbeigabe neben den Leichnam gelegt. Für Diana Megel ein Hinweis auf ein noch heidnisch-slawisches Begräbnisritual. „Allerdings liegen die Skelette mit dem Kopf nach West ausgerichtet. Das spricht auch für erste Einflüsse der Christianisierung“, meint die Archäologin. Den Friedhof schreiben die Wissenschaftler dem slawischen Stamm der Heveller zu.

Den Beginn der Besiedlung des heutigen Brandenburg durch die Slawen datieren Historiker auf das Ende des 6. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt waren die Germanen bereits weitgehend aus dem Gebiet verschwunden. „Zwischen 550 und 700 nach Christus haben wir kaum Funde“, bestätigt May.

Dafür aber förderten Megel und ihr Grabungsteam in Ribbeck etwas zutage, was selbst zu Augustus Zeiten bereits als archäologisches Exponat hätte gelten können. Das älteste und wohl auch spektakulärste Fundstück ist eine kleine Bronzenadel aus dem 13. bis 11. Jahrhundert vor Christus. „Mit solchen Nadeln wurden Kleidungsstücke zusammengesteckt“, erläutert Mays Kollege und Bronzezeit-Experte Franz Schopper. Bislang seien Funde dieser Art fast nur in Polen gemacht worden. Bei der Bronzenadel aus Ribbeck handele es sich vermutlich um das bislang westlichste Exemplar, so Schopper. „Die schafft es sogar ins Landesmuseum“.

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