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Von Thorsten Metzner: Zitterpartie um Platzecks Wahlversprechen

Rot-Rot hat große Mühe mit der umstrittenen SPD-Idee vom Schüler-Bafög. Jetzt liegt zumindest ein Gesetzentwurf vor

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Potsdam - Es war das wichtigste Versprechen der von Matthias Platzeck geführten Sozialdemokraten vor der Brandenburg-Wahl: Aber das angekündigte, in Deutschland einmalige „Schüler-Bafög“ von monatlich 100 Euro für Gymnasiasten der 11. und 12. Klassen lässt drei Monate nach Bildung der rot-roten Regierung immer noch auf sich warten. Selbst in den Reihen der SPD wächst die Sorge, dass das Versprechen nicht oder nur mit Abstrichen eingelöst werden kann, weil juristische und praktische Probleme größer als erwartet sind. Für die SPD war das Schüler-Bafög eine Bedingung für Koalitionsverhandlungen. Ungeachtet dessen will das Platzeck-Kabinett nach PNN-Informationen nun aber das „Schüler-Bafög“, mit dem mehr Kinder aus armen Familien zu Abitur und Studium bewegt werden sollen, kurzfristig trotzdem unter Dach und Fach bringen.

Rot-Rot tut sich schwer damit. Dabei hatte die SPD-Landtagsfraktion bereits am 9. Juli 2009 einen fertigen Gesetzentwurf präsentiert, der sofort nach der Landtagswahl im September vorigen Jahres beschlossen werden und zum 1. Januar 2010 in Kraft treten sollte, was aber nicht geschah. Jetzt hat Bildungsminister Holger-Rupprecht (SPD), der noch am 19. Januar dem Kabinett lediglich „Eckpunkte“ für das „Gesetz zur Unterstützung der Schulausbildung“ im Land präsentieren konnte, zumindest die erwartete Kabinettsvorlage fertiggestellt. Der interne Entwurf, der dieser Zeitung vorliegt, soll voraussichtlich im Februar das Kabinett passieren und im Mai im Landtag beschlossen werden. Das Geld könnte dann, so der Fahrplan, ab September ausgezahlt werden.

Es geht um monatlich 100 Euro, nicht zurückzuzahlen, die an bedürftige Schüler der 11. und 12. Klassen – etwa Empfänger von Hartz IV, Sozial- oder Wohngeld – überwiesen werden. Das Ministerium geht davon aus, dass jeder vierte Oberschüler – 2010 wären das 2180, ab 2011 jährlich rund 4360 Betroffene – anspruchsberechtigt ist, was das Land 2010 noch eine Million Euro, 2011 dann drei Millionen, ab 2012 jährlich über fünf Millionen Euro kosten würde.

Aber die Tücken liegen weiter im Detail. Umstritten bleibt, ob die 100 Euro – wie selbst die jüngste Kindergelderhöhung – mit Hartz-IV–Sätzen verrechnet werden müssen, wovon die CDU ausgeht. Auch der Städte- und Gemeindebund teilt solche Bedenken. „Wenn gut Gedachtes juristisch zerfleddert wird, geht es nach hinten los“, warnt Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher. Die Regierung geht von keiner Verrechnung aus, weil die 100 Euro „zweckgebunden“ für Bildungsausgaben gezahlt werden. In der Begründung werden die Anschaffung von Büchern, Notebooks, Internet-Gebühren, Kosten für den Weg zur Schule, für Nachhilfe oder Musikunterricht genannt.

Dies allerdings lässt Missbrauch zu und den Rechnungshof aufhorchen. Zwischendurch war ernsthaft erwogen worden, Geld nur gegen Belege und Quittungen auszuzahlen, was wiederum den Verwaltungsaufwand extrem erhöht hätte und Platzecks soziales Versprechen konterkariert hätte. Das ist vom Tisch. Jetzt heißt es, dass das Schüler-Bafög „als Pauschale“ gewährt wird: „Eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung erfolgt nicht.“

Aber selbst bildungspolitisch bleibt das Prestige-Projekt umstritten, da außer der SPD selbst niemand an die erhoffte Wirkung glaubt: Es sei zu bezweifeln, heißt es in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), beim Landesschulbeirat und beim Linke-Koalitionspartner, dass mehr Kinder nach der sechsten Klasse auf die Gymnasien wechseln – wegen monatlich 100 Euro vier Jahre später. Skeptisch bleibt der Städte- und Gemeindebund, der darüber nächste Woche im Präsidium berät: „Wenn der Aufwand zu bürokratisch oder die Wirkung zu gering ist“, sagt Geschäftsführer Böttcher, „dann sollte man das Geld für andere wichtigere Dinge in der Bildung verwenden.“

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