Brandenburg: „Zugezogener!“: Hetzer verurteilt
Berlin - Der Mann schnaufte genervt, verdeckte sein Gesicht und schaltete auf stur. Bis zur Saaltür ging Till D.
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Berlin - Der Mann schnaufte genervt, verdeckte sein Gesicht und schaltete auf stur. Bis zur Saaltür ging Till D. und keinen Schritt weiter. Missachtung lag im Blick des 24-Jährigen, als er Reporter und Kameras sah. Missachtung soll auch hinter dem Angriff gesteckt haben, für den er sich am Freitag vor Gericht in Berlin verantworten sollte. Er war laut Anklage in einer Straßenbahn auf einen Fahrgast losgegangen, den er für einen Zugezogenen hielt. Es hätte im Prozess viele Fragen gegeben. Auch die nach Fremdenfeindlichkeit.
Till D. aber durfte die Juristen unter sich lassen. Alle wussten, dass der Mann im karierten Hemd eigentlich auf die Anklagebank sollte. Doch der Verweigerer wartete auf die Botschaften, die seine Anwältin aus dem Saal mitbrachte. Die bizarre Szene verfolgte auch Gregor R. (Name geändert), ein 32-jähriger Architekt. Er wurde als Zeuge geladen. Denn er ist das Opfer.
Am 6. Mai 2011 um 19.30 Uhr stand R. in einer Tram der Linie M 10. Eine Fahrt von Prenzlauer Berg nach Friedrichshain. An der Paul-Heise-Straße stiegen zwei Männer ein. Es dauerte nicht lange, bis sie pöbelnd auf R. zeigten. „Du Scheiß-Zugezogener, wegen dir steigen hier die Mietpreise. Aber irgendwann ist hier eh Kiezreinigung!“, brüllte D.s Kumpel. Es war kurz darauf Till D., der laut Anklage handgreiflich wurde. Erst habe der Angreifer gespuckt, dann die Faust geballt. Der Schlag ging auf das linke Auge. „Meine Brille zerbrach“, sagte Gregor R. Er erlitt Schnittwunden und Prellungen, war zehn Tage krank. Als die Beleidigungen kamen, habe er aus dem Fenster gesehen. Er ignorierte die Pöbler. Wie die Männer ihn als Zugezogenen ausmachten, kann er sich bis heute nicht erklären. „Ich war neutral gekleidet und sagte auch nichts“, sagte der Thüringer Gregor R., der seit sieben Jahren in Berlin lebt.
Gregor R. und ein weiterer Zeuge hatten mit ihren Täterbeschreibungen dafür gesorgt, dass D. und dessen Kumpel zwei Stunden nach dem Vorfall gefasst werden konnten. Schläger D. versuchte es mit einem Brief, der Reue vermitteln sollte. Er sei fälschlicherweise der Meinung gewesen, sich verteidigen zu müssen, schrieb er dem Opfer. Er bot auch an, die Kosten zu übernehmen. Doch bis heute seien die 1800 Euro nicht geflossen.
Till D. ist arbeitslos und mehrfach vorbestraft. Er blieb vor dem Saal. Für die Juristen schien das kein Problem zu sein. Die Richterin wertete das als unentschuldigtes Fehlen. Das Urteil erging per Strafbefehl: 2250 Euro. Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
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