Brandenburg: Zurück in alte Jazzerseligkeit Die „Eierschale“ in Dahlem ist neu eröffnet
Sie sind alle schon ganz oft da gewesen. „Das war eine Superkneipe“, erinnern sich die Gäste, „Hier haben wir bei Jazz und Blues geknutscht und später mit den Kindern und Freunden beim Sonntagsfrühschoppen gefeiert.
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Sie sind alle schon ganz oft da gewesen. „Das war eine Superkneipe“, erinnern sich die Gäste, „Hier haben wir bei Jazz und Blues geknutscht und später mit den Kindern und Freunden beim Sonntagsfrühschoppen gefeiert.“ Aber dann, vor acht Jahren, verlor Berlins Jazzszene ihren traditionsreichen Treff. Die „Eierschale“ am U-Bahnhof Podbielskiallee in Dahlem wurde geschlossen. Sie verfiel zusehends, bis neue Betreiber die Villa im Landhausstil übernahmen. Gestern wurde die „Eierschale“ neu eröffnet. Es gibt wieder täglich Jazz & Blues live – und hunderte ihrer früheren Fans strömten neugierig herbei. Inzwischen etwas älter und gesetzter geworden.
Die Sonne wärmte den Biergarten, man feierte Wiedersehen im New Orleans-Rhythmus. Ab 15 Uhr spielte die „Sir Gusche Band“, 1961 gegründet, Jazzer-Urgestein, Stammband der alten „Eierschale“. Die neuen Besitzer, die arabisch-deutsche Familie Neeman, führte unterdessen durchs Haus. Das ähnelt jetzt mit seinen Gartenbrünnchen, Löwenstatuen, üppigen Lüstern und neo-römischen Malereien einer etwas kitschig geratenen Nobel-Pizzeria. „Ob das mit uriger Jazzatmosphäre zusammenpasst?“ fragten sich Skeptiker. Vergeblich hatten sie nach Reminiszenzen aus ihrem alten Jazzclub gesucht. Aber Reiner am Schlagzeug, Achim mit der Trompete und Banjo-Man Lothar ließen dann doch die gute Stimmung von damals flott wieder aufleben.
Mit der „Eierschale“ sind manche West-Berliner älter geworden. Dreimal ist das Lokal umgezogen. Alles begann 1953, als sich die „Spree-City -Stompers“ in einer Schöneberger Kriegsruine ein Auftrittslokal einrichteten – mit Eierkartons an den Wänden, daher der Name. Legendär sind die damaligen Sessions von Louis Armstrong und Ella Fitzgerald. 1956 wechselte man in einen Keller am Breitenbachplatz. „Eine wilde Zeit“, erinnern sich die treuesten Eierschale-Jahrgänge. „Wir tanzten im Rühr-Stil und ruderten dabei mit den Armen herum.“
Schließlich zogen die Jazzer ins Landhaus in Dahlem. Dort war die runde, kupferbeschlagene Holztheke ihr Anlaufpunkt. Drumherum drängelten sich bis zu tausend Leute. Gestern war der Andrang zu fortgeschrittener Stunde gleichfalls groß. Punkt 21 Uhr knatterte ein Feuerwerk am Himmel. Keiner sollte es überhören. Die Jazzer sind zurück.CS
Eierschale, Podbielskiallee 50, täglich geöffnet ab 9 Uhr, Telefon: 83228387.
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