Brandenburg: Zurück zur Natur?
Der Vorschlag, mit Prämien die Landflucht zu beschleunigen, eint Brandenburgs Parteien in ihrer Ablehnung
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Potsdam - Mit einem solchen Sturm der Entrüstung hatte Reiner Klingholz nicht gerechnet. Am vergangenen Donnerstag hatte der Direktor des Berlin-Institutes für Bevölkerung und Entwicklung eine vom Landtag Brandenburg bestellte Studie zum Bevölkerungsschwund in den märkischen Randregionen im Hauptausschuss des Landtages vorstellt. Darin enthalten: Der Vorschlag, Menschen aus den Regionen, in die sich auch in den kommenden Jahrzehnten weder Aufschwung noch Großinvestoren verirren werden, Prämien für ihren Wegzug zuzahlen. Der Erhalt der Infrastruktur für so wenige Menschen sei einfach zu teuer, so die Gutachter. Seit am Wochenende Einzelheiten aus dem Gutachten bekannt geworden sind (PNN berichteten), fegt ein Sturm der Entrüstung durch die märkische Politik.
Klingholz kann die Aufregungen nicht verstehen, schließlich handle es sich bei der Abwanderungsprämie, die Menschen aus den Randregionen für das Verlassen hinterster märkischer Winkel gezahlt werden solle, nur um einen Nebensatz der 60-Seitigen Studie dazu, wie dem Bevölkerungsschwund im Land begegnet werden könnte.
In ihrer Ablehnung der „Pampa-Prämie“ sind sich die märkischen Parteien so einig wie kaum. Doch bricht in der Prämien-Diskussion auch eine alte wieder auf: Wie umgehen mit den Randregionen Brandenburgs. Nachdem die SPD/CDU-Regierung die Wirtschaftsförderung umgestellt hat und vornehmlich die Berliner Randregionen fördern will, hatte die Linke schon immer Vorbehalte dagegen. Aber auch CDU-Abgeordnete aus den Berlin-fernen Landesteilen hatten jüngst für eine leise Abkehr von der Speckgürtel-Konzentration plädiert.
„Die Ergebnisse sind zu eng gefasst und greifen zu kurz“, urteilte Kerstin Kaiser, die Fraktionsvorsitzende der Linken in Brandenburg über die Studie. Statt bestimmte Landstriche aufzugeben, sieht sie immer noch „erhebliche Reserven“. An der Studie kritisierte sie weiterhin, dass sie der Brandenburger Verfassung widerspreche. In der sei eine gleichmäßige Entwicklung für alle Landesteile vorgesehen.
CDU-Generalsekretär Rolf Hilke findet die Richtung der Studie falsch. „Die Aufgabe der Politik ist es, Regionen lebenswert zu halten“, sagte er. Kerstin Kaiser findet jedoch auch positive Aspekte an der Untersuchung. Sachsen zum Beispiel habe schon längst eine Kommission zum Thema Abwanderung eingesetzt. Dank der Studie gebe es nun auch in Brandenburg einen Ausgangspunkt für Debatten.
Die demografische Entwicklung scheint allerdings unaufhaltsam. So hat das Statistische Bundesamt erst im April eine Studie vorgelegt, nach der die Bevölkerung Brandenburgs bis 2050 von heute mehr als 2,5 Millionen Einwohner auf bis zu 1,79 Millionen schrumpfen wird. SPD-Fraktionschef Günter Baaske will den Zahlen zum Trotz positive Stimmung verbreiten. Mit der „Schwarzmalerei“ müsse „Schluss sein“ fordert er.
Brandenburgs Grüne nannten die zum Teil heftigen politischen Reaktionen auf den Prämienvorschlag „scheinheilig“. Die Vorschläge seien nichts anderes als die Fortschreibung der Förderpolitik mit dem Motto „Stärken stärken“, sagte der Parteivorsitzende Axel Vogel vom Montag in Potsdam. Sie aber teile das Land in Gewinner- und Verliererregionen, die Studie folge dem nur. Eine Kopfprämie sei eine Kapitulation vor den Herausforderungen der Bevölkerungsentwicklung. Die Politik dürfe sich nicht aus der Verantwortung gegenüber den auf dem Land lebenden Menschen stehlen.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) nannte den Vorschlag zur Wegzugsprämie „unausgegoren“. Hinter der Idee stehe eine technokratische Weltsicht. „Entsiedlungsprämien“ würden den Bevölkerungsrückgang im Land nur noch verstärken. Zudem würden nicht die Folgekosten berücksichtigt, die durch Infrastruktur- und Wohnungsrückbau entstünden. Brandenburgs Kommunen brauchten eine Stärkung, keine Schwächung.
In der Studie des Berlin-Instituts ist die Pampa-Prämie nur ein Vorschlag unter vielen. Als Alternative wird in dem Gutachten auch eine Umverteilung der Kompetenzen angeregt. Orte mit Defiziten in der Infrastruktur sollten in Zukunft selbst für die Ausgaben zuständig sein. So sollen sie diese direkter und schneller beheben können.
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