Brandenburg: Zwei Neonazis nach Brandanschlägen festgenommen
16- und 18-Jähriger wegen Mordverdachts in Haft: Sie sollen versucht haben, die Wohnhäuser einer bosnischen und einer türkischen Familie in Berlin anzuzünden
Stand:
Berlin -Die beiden Häuser in Rudow liegen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, in beiden wohnen Einwandererfamilien – und beide Häuser wurden im März und April diesen Jahres zum Ziel von Brandanschlägen. Beide Fälle hätten in Tragödien enden können – einmal erlosch der Brandsatz von selbst, im zweiten Fall hatte ein Taxifahrer Feuer gesehen und den Hauseigentümer rechtzeitig geweckt.
Jetzt hat die Polizei zwei junge Neonazis aus der Nachbarschaft als Verdächtige festgenommen. Der Vorwurf lautet: versuchter Mord. Die 16 und 18 Jahre alten Männer sollen die Molotow-Cocktails (mit Benzin gefüllte Bierflaschen) auf die Häuser geworfen haben, in denen bosnische und türkischstämmige Familien leben. Im zweiten Fall erheblich. Ein Partyzelt und die Jalousien gingen in Flammen auf.
Ein Richter erließ gegen den 16-jährigen Markus P. und den 18-jährigen Robert H. nun Haftbefehle, sie sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Beide gehören nach Angaben der Polizei zur rechten Szene, sind jedoch nicht vorbestraft. Einer hat die Taten mittlerweile gestanden.
Robert H. gilt als wichtige Nachwuchskraft der Rudower Neonaziszene, die sich nach Informationen der Neuköllner Antifa jüngst zur „Division Rudow“ zusammengeschlossen hat. H. wohnt in Rudow genau zwischen den beiden Tatorten Fenchelweg und Orchideenweg, die nur wenige hundert Meter auseinander liegen. Dass die Täter Menschenleben in Kauf nahmen, diese Hass-Qualität ist für die Ermittler neu. Die Zahl der fremdenfeindlichen rechtsextremistischen Gewalttaten ist zuletzt von 45 auf 33 im Jahr 2007 zurückgegangen.
Vom ersten Anschlag im März hatte die Öffentlichkeit nichts erfahren – die Pressestelle des Präsidium meldete den Brandanschlag am Fenchelweg nicht – obwohl es einen Monat zuvor den Großbrand in Ludwigshafen gegeben hatte. Dort waren neun Migranten im Feuer gestorben – und es war zunächst ein neonazistischer Hintergrund vermutet worden. Es sei ein „Fehler“ gewesen, dies nicht zu veröffentlichen, sagte ein Polizeisprecher gestern. Da die Polizei nicht von einem fremdenfeindlichen Angriff ausgegangen ist, ermittelte ein Brandkommissariat. Davon wiederum erfuhr die Pressestelle nichts. Zudem sei die Fassade des Hauses nur wenig verrußt gewesen, hieß es zur Entschuldigung gestern im Präsidium. Unklar blieb, ob die Brandkripo überhaupt wusste, dass in dem Haus eine bosnische Familie wohnte.
Das Opfer des zweiten Anschlags, der türkische Unternehmer Bayram Yildirim, war bereits am Tag der Tat – dem 20. April, dem Geburtstag von Adolf Hitler – von einem Neonaziangriff ausgegangen. Yildirim sollte recht behalten. Er hatte schon damals berichtet, dass in der Nachbarschaft mehrere bekannte Rechtsextremisten wohnen, bei denen sich häufig junge Aktivisten treffen. „Die trinken Bier, machen Radau, hören rassistische Musik und belästigen alle Anwohner, ob Deutsche oder Ausländer“, sagte Yildirim. Mehrmals hätten in der Vergangenheit Aufkleber der NPD am Briefkasten geklebt, berichtete der Metallwarenfabrikant im April. Und Yildirim war sich auch sicher, dass beide Ortskenntnisse gehabt haben müssen – sie waren an der einzigen Stelle auf sein Grundstück eingedrungen, der nicht durch Bewegungsmelder erfasst wird. Die bosnische Familie, die im März Ziel des Anschlages war, hatte sich kurz nach dem zweiten Anschlag bei Yildirim gemeldet. Und erst der 46-Jährige informierte den Staatsschutz von der ersten Tat. Die Polizei klebte anschließend Fahndungsplakate und setzte eine Belohnung aus, schnell kamen Hinweise auf H.
Rudow hat eine der aktivsten Neonaziszenen in Berlin. Nachdem die NPD in die Bezirksverordnetenversammmlung eingezogen ist, sei es viel schlimmer geworden, hat Yildirim beobachtet. Früher hätten die NPD-Kleber nur Rudow verschandelt, „jetzt sind die bis zur Grenzallee aktiv“. Mittlerweile hat der türkischstämmige Berliner aufgerüstet: Kameras installiert und einen Hund gekauft.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: