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Umkämpftes Gebiet. Der ehemalige Mauerstreifen in Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Brandenburg: Zweite Enteignung

Eigentümer am geplanten „Postenweg“ der Bernauer Straße sollen Grundstücke hergeben

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Berlin - Geschichte wiederholt sich nicht – doch von diesem Grundsatz sind die Anlieger an der Schönholzer Straße, südlich der Bernauer Straße in Berlin, nicht mehr überzeugt. Fast pünktlich zu den Feierlichkeiten zur Einheit kommt neues Unrecht auf sie zu, finden sie – ausgerechnet im Namen der Pläne zum Gedenken an das Unrecht im geteilten Deutschland. Denn ein Dutzend Anlieger sollen ihre Grundstücke hergeben, damit der historische Postenweg wiederhergestellt werden kann. Den nutzten die DDR-„Grenzschützer“ im Hinterland der Mauer. Der Postenweg soll die „Gedenkstätte Berliner Mauer“ ergänzen. Wer aber sein Grundstück nicht an das Land verkaufen will, dem droht die Enteignung, fürchten die Betroffenen.

Das wäre die zweite Enteignung von Grundstücken an dieser Stelle, nach der Landnahme zu DDR-Zeiten. Dabei wurde dieses Unrecht vor nicht langer Zeit geheilt: Erst das Mauergesetz aus dem Jahr 1996 machte den Weg frei für die Rückgabe der Grundstücke an die Alteigentümer. Einer der Betroffenen, Ulrich Stark, sagt deshalb: „Ich finde eine Gedenkstätte richtig, aber nicht, wenn dafür wieder Grundstücke enteignet werden müssen.“

Stark hat sein Haus an der Schönholzer Straße vor 16 Jahren von Alteigentümern erworben. Und vor zwölf Jahren kaufte er den angrenzenden Garten dazu. Nun liegt das Grün aber auf dem Postenweg, der rekonstruiert werden soll. Verkaufen will er die Fläche nicht – „ich bin doch kein Spekulant“. Er habe den Garten für seine Kinder erworben. Heute spielen seine Enkel dort. Und vom Land Berlin hält er sogar eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ in Händen. Berlin hatte ein Vorkaufsrecht, auf das es verzichtete. Dass dieser Bescheid wenige Jahre später wieder in- frage gestellt wird, kann Stark nicht nachvollziehen. Der Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Mathias Gille, sagt: „Wir wollen eine Einigung und keine Enteignung.“ Man bemühe sich um den Ankauf der Grundstücke und sei auf gutem Wege. Der Zeitplan, der die Eröffnung des Postenweges für kommenden August vorsehe, sei aber „ambitioniert“.

Eng könnte es deshalb werden, weil auch die Bewohner des neu gebauten Mehrgenerationenhauses in der Schönholzer Straße 13/14 nicht den Teil ihres Grundstückes hergeben wollen, auf dem nun ein Spielplatz errichtet wurde. „Wenn der Bebauungsplan so durchgeht, werden wir dagegen eine Klage anstreben“, sagt Anlieger Heiner Legewie. Was aus einem anderen Neubau wird, der an der Strelitzer Straße direkt auf dem Postenweg errichtet wurde, ist ungeklärt.

Nach Bedenken der Bürger wurde der überarbeitete Bebauungsplan ein zweites Mal öffentlich ausgelegt. Die Eigentümer von drei betroffenen Häusern haben eine Rechtsanwaltskanzlei mit der Formulierung ihrer „Einwendungen“ beauftragt. Diese führt auf elf Seiten unter anderem „Verstöße gegen Bauplanungsrecht“ an: „Das Maß der baulichen Nutzung überschreitet durchgängig die Obergrenzen bis zum Vierfachen der zulässigen Geschossflächenzahl“.

Denn geplant sei nicht nur die Rekonstruktion des Patrouillenweges, sondern auch die Bebauung öffentlicher Grundstücke nördlich davon und deren gewinnbringender Verkauf, berichten die Anlieger. Auch das erklärt den Ärger: „Wo heute Gärten sind, entstehen durch die Neubauten schattige Hinterhöfe“, sagt Legewie. Der Chef des landeseigenen Liegenschaftsfonds, Holger Lippmann, weiß nichts von Bauplänen in diesem Bereich. „Wir haben 14 Grundstücke im Auftrag des Landes angekauft und der Stiftung Mauergedenken übertragen“, sagt er. In drei Fällen verhandle man noch.

Ralf Schönball

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