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Brandenburg: Zwischen Beschaulichkeit und Klimawandel

Seit 180 Jahren existiert der Forstbotanische Garten Eberswalde. Nun soll zum Thema Wald und Tourismus geforscht werden

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Eberswalde - Die Studenten kommen mit einem Notizblock unter dem Arm zum Pflanzenbestimmungskurs geradelt, ihr Professor tritt einfach nur aus seinem Büro. Das Studienobjekt und Forschungsgebiet der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) liegt zum großen Teil auf dem Campus ­ der Forstbotanische Garten. „Das ist ein immenser Schatz“, sagt Direktor Harald Schill. Er hat in München studiert und erinnert sich an endlose Fahrten mit der S-Bahn zu Bäumen und Sträuchern.

Der Park mit seinen etwa 1800 unterschiedlichen Pflanzen ist das Herzstück der ökologisch-technisch ausgerichteten Hochschule ­ zum einen weil alle Fakultäten hier lehren und Versuchsflächen bewirtschaften, zum anderen weil er den Anfang des akademischen Lebens in der Stadt markiert. Mit einem neuen Projekt wollen Hochschule und Stadt die Zukunft der Anlage sichern. Ihre neu gegründete Stiftung „WaldWelten“ sieht eine Erweiterung des Gartens und Klima-Forschungsprojekte vor.

Die Anfänge des Parks reichen ins 19. Jahrhundert: Damals setzte sich – unterstützt von Wilhelm von Humboldt – der Gedanke durch, dass Förster dort ausgebildet werden sollten, wo Wald ist. Infolgedessen verlagerte die Humboldt-Universität 1830 ihre Forstakademie nach Eberswalde. Mit der „Königlich Preußischen Höheren Forstlehranstalt“ entstand auch der Forstbotanische Garten als Lehrgarten. Laut dem Verband Botanischer Gärten ist er damit einer der frühen botanischen Gärten Deutschlands. Auch als die Hochschule zu DDR-Zeiten zwischenzeitlich geschlossen wurde, wurde im Forstbotanischen Garten weiter Forschung betrieben. 1992 erhielt Eberswalde wieder eine Fachhochschule, an der heute neben der Forstwirtschaft zahlreiche innovative Studiengänge wie Ökolandbau und International Forest Ecosystem Management unterrichtet werden. Der Garten wurde als „zentrale Einrichtung“ wieder an die Hochschule angebunden, 13 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Studenten und Wissenschaftler teilen sich den Park mit der Bevölkerung – auf den acht eingezäunten Hektar des Gartens gibt es ausgewiesene Spazierflächen und einen Findlingspfad. Besucher können in der Parkanlage inklusive Flüsschen einheimische und exotische Bäume und Sträucher studieren. Dank eines weltweiten Tauschrings stammt alles Saatgut von Originalstandorten. Einige Pflanzen sind noch weit älter als der Park – eine große Eiche schätzt Schill auf bis zu 300 Jahre.

Neben Forschung und Lehre ist dies die zweite große Aufgabe des Parks: Naherholung und Umweltbildung. 3500 Besucher kommen jährlich, obwohl es im Park kein Café gibt, nicht einmal einen Spielplatz. Zusätzlich findet im Schnitt einmal pro Woche eine gut besuchte Führung statt. Direktor Schill beschreibt die Faszination des Wandelns im Garten mit dem altmodischen Wort „Beschaulichkeit“. Die Unterschiede bei Blatt- und Nadelformen, Größe und Farbe der Blüten lehrten das „Hinschauen“. Mit dem Projekt „WaldWelten“ soll die Zukunft gesichert werden: In den kommenden 30 bis 50 Jahren soll die Anlage auf 150 Hektar wachsen. Nach den Plänen von Direktor Schill soll es einen Langzeitversuch zu den Folgen der globalen Klimaveränderung geben. „Es gibt inzwischen etliche Studien zum Thema und wir gehen recht sicher davon aus, dass sich etwas verändern wird“, sagt Schill. Was dies für die Umwelt bedeute, sei allerdings bislang nicht unter Realbedingungen erforscht. Mit „WaldWelten“ könne der in Mitteleuropa einzigartige Versuch unternommen werden, anhand eines lebendigen Ökosystems die Auswirkungen des Klimawandels zu beobachten, berichtet er. Eberswalde ist für Schill wegen seines sub-kontinentalen Klimas mit sehr wenig Regen der „perfekte Modell-Standort“. Sein Team will dafür Baumarten aus der ganzen Welt pflanzen und über Jahre beobachten.

Parallel soll auf dem Gelände naturnaher Tourismus angeboten werden. In einem Waldpark mit Besucherzentrum könnten Umweltbildung und Kulturtourismus stattfinden. „Solche Nationalparks laufen in anderen Ländern mit großem Erfolg“. Für das Projekt sind die Stadt Eberswalde, der Landkreis Barnim und auch das Land im Boot. Nach 17 Jahren Planung soll nun die Umsetzung erfolgen. Bis Ende des Jahres ist nach Einschätzung des Innenministeriums die Unterschrift unter der Stiftungsurkunde möglich – für den Forstbotanischen Garten könnte die Erweiterung damit noch Geburtstagsgeschenk zum 180. werden. Antje Scherer

Antje Scherer

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