Landeshauptstadt: 100 Jahre und keine Klagen
Bescheiden faltet sie ihre Hände und legt sie in den Schoß. Sie ist zierlich, sehr klein und verschwindet fast in ihrem Korbsessel.
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Bescheiden faltet sie ihre Hände und legt sie in den Schoß. Sie ist zierlich, sehr klein und verschwindet fast in ihrem Korbsessel. Martha Borkowski ist gestern einhundert Jahre alt geworden. Mit fester Stimme erklärt sie: „Ich kann nicht klagen. Ich bin schon so viele Jahre hier. Mir geht“s gut!“ Martha Borkowski lebt seit 1987 im Seniorenheim „Geschwister Scholl“, unweit des Schlosses Charlottenhof. Noch immer körperlich und geistig rüstig geht sie gern mit ihrer Freundin spazieren. „Mir ist noch nie jemand zu nahe getreten“, betont sie. Martha Borkowski ist in Berlin geboren, verlor schon in jungen Jahren ihre Eltern und verbrachte ihre Jugend in einem Waisenhaus außerhalb der Stadt. Als sie alt genug war auf eigenen Beinen zu stehen, kehrte sie kurz entschlossen in die Stadt zurück. Bis Anfang der 40er Jahre arbeitete sie als Schnellpressenanlegerin in einer Buchdruckerei. Körperlich schwer sei die Arbeit nicht gewesen, aber sie musste eben immer stehen. Anfang der 30er Jahre hatte Martha Borkowski ihren ersten Mann kennen gelernt. Mit ihm ging sie nach Babelsberg. Doch das Glück währte nicht lange. Ihr Mann starb 1940 an einer schweren Krankheit. Als 1945 Babelsberg bombardiert wurde, bot sich ein Bekannter an, ihr beschädigtes Haus zu reparieren. Nun stand sie vor der Alternative: Wenn er bei mir einzieht, müssen wir auch heiraten. Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft wurde dann doch noch eine gute Ehe mit Richard, erinnert sie sich. Doch 1985 starb auch er. Sie hat dann noch zwei Jahre allein in ihrem Haus in Babelsberg im Baberowweg gelebt. Dann ging es nicht mehr ohne den Mann. Doch sie hat den Schritt ins Heim zu gehen bis heute nicht bereut. Zwei Weltkriege hat sie überlebt und immer ihre Frau gestanden. „Das hilft auch im Alltäglichen gegen alles anzukämpfen“, ist ihre einzige Tochter Rosemarie Lieckstedt überzeugt. Vielleicht sei diese Lebenseinstellung auch das Rezept des langen Lebens ihrer Mutter. Wiebke Sönnichsen
Wiebke Sönnichsen
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