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Landeshauptstadt: 100-jähriger Gustav führte Parade an

Neun Schiffe der Weissen Flotte stachen gestern in See / Riesentorte in Form eines Dampfers für einen Dampfer und eine Wasser(ski)-Königin

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Im Hafenbecken wurde durchgestartet. Eine junge Dame entschloss sich im letzten Augenblick, bei der Wasserköniginnenwahl mitzumachen und setzte sich auf Anhieb gegen sieben Mitbewerberinnen durch. Ein Hunderjähriger, nämlich der Dampfer Gustav, durfte die Flottenparade anführen. Und die Messe rings um das Wassserfest am Wochenende mausert sich immer mehr zu einer Schau mit interessanten Angeboten. 40 Aussteller waren diesmal dabei. Lediglich die Sonne zeigte sich eher zurückhaltend, was aber der Feierlaune keinen Abbruch tat – 12 000 Besucher waren gekommen. Als die neun Schiffe der Weissen Flotte inklusive Wassertaxi am Sonntag zur 50. Flottenparade aufbrachen, war das Hafenbecken schwarz vor Menschen.

„Seit 1949 gibt es schon Flottenparaden“, erzählte Weisse-Flotten- Chef Jörg Winkler. „Doch es gab immer wieder mal Ausfälle. Wir haben mit früheren Mitarbeitern durchgezählt und sind so auf die Jubiläumszahl in diesem Jahr gekommen.“ Die beiden Jungunternehmer Jörg Winkler und Jan Lehmann hatten bei der Ausschreibung des defizitären städtischen Unternehmens 2000 mit den besten Konzept den Zuschlag erhalten und das Unternehmen zielstrebig in die Gewinnzone geführt. Sie übernahmen größtenteils die vorhandenen Schiffe und modernisierten sie. Im vorigen Jahr wurde das erste Wassertaxi in Betrieb gestellt. Am 26. April soll das zweite folgen. Während der Sommermonate fahren die beiden dann im Linienbetrieb zwischen Sacrow und Forsthaus Templin und nehmen auch Fahrräder mit. An 13 Anlegestellen kann ein- und ausgestiegen werden. Ehe Lehmann und Winkler die Weisse Flotte übernahmen, waren sie zuvor schon mit Salonschiff und Dampfer über die Potsdamer Seen geschippert. Von denen wurde eines ausrangiert und durch den Dampfer Gustav ersetzt. Für den war der Kauf durch Lehmann/Winkler eigentlich eine Wiedergeburt, denn das 1908 als Auguste auf der Brandenburger Werft der Gebrüder Wiemann gebaute Schiff, das bis 1987 Schleppkähne zog, sollte eigentlich verschrottet werden. Eigner Hans Möritz hatte den Schleppdampfer zwar zum Fahrgastschifffahrt umbauen lassen. Doch eine massive Verjüngungskur war dringend nötig. Die wurde Gustav 2000 verpasst und beschert ihm vielleicht weitere 100 Betriebsjahre. Das würde Klaus Köllner dem flotten Veteranen wünschen. Er betreute über Jahre als Maschinist die Gustav und greift heute noch als Fachmann ein, wenn mal wieder ein altes Teil ächzt. In diesem Winter wurde zum Beispiel die Kesselpumpe erneuert. Das aber geht nur in handwerklicher Kleinarbeit. Haveldampferschifffahrtskapitän Jörg Vokoun befragt, wie man einen Hundertjährigen behandeln muss, lacht und sagt: „Auch nicht anders als einem 99-Jährigen.“ Im Stich gelassen habe ihn der Gustav noch nie. Sein Innenleben sei zwar alt, aber robust. Und der neue Maschinist Uli Kuhberg wisse mit dem alten Herrn gut umzugehen. Gestern jedenfalls ließ Gustav aus lauter Geburtstagsübermut gewaltig Dampf ab und grüßte mit unverwechselbarem Getute. Der Schornstein musste auf der Flottenparade übrigens zehnmal umgelegt werden, um ohne Anstoß durch die Brücken zu kommen.

Die riesige Geburtstagstorte, die von Konditormeister Mike Endruschat aus der Bäckerei Braune dem Dampfer nachgebildet war, durften die Potsdamer bis auf den letzten Kohlekrümel verspeisen. Denn das gesamte Kunstwerk, an dem der Meister einen ganzen Arbeitstag gebastelt hatte, war ohne Abstriche aus süßen Zutaten gemacht. Oberbürgermeister Jann Jakobs schnitt das gute Stück nicht nur an, sondern bewährte sich auch als Oberkellner. Natürlich trug zur Ansammlung der Schaulustigen auch das Erscheinen von Ministerpräsident Matthias Platzeck und das einer Wasserkönigin bei. Die frischgekürte Majestät im Arm, nahm der Landesvater sogar den wolkenverhangenen Himmel hin, frozzelte jedoch: „Ich dachte schon, wir würden dieses Jahr einen Eisbrecher an die Spitze der Flottenparade brauchen.“ Der war zum Glück nicht nötig, nicht einmal im übertragenen Sinne, denn die Stimmung war – unterstützt auch durch den Chantychor der Wasserschutzpolizei – ausnehmend gut. Ihre Majestät in leichter Robe ließ sich ebenfalls nichts anmerken, zumal Julia Hüller (22) an kühle Wasser gewöhnt ist. Seit ihrem vierten Lebensjahr steht die Tochter des Welt- und Europameisterpaares Hüller aus Caputh schon auf Wasserski und brachte es auch schon selbst zu einem deutschen Vizemeistertitel. Im Moment allerdings bewährt sie sich eher als Landratte und das nicht nur als Königin. Sie studiert an der Potsdamer Uni Kommunikationsmanagement und macht gerade ein Praktikum im Tourismusmarketing Brandenburg. Dort hörte sie von der Wasserköniginnenwahl, kam, wurde gesehen und siegte.

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