Landeshauptstadt: 100 Tage Schlaatzradio
Bestürzung über den Tod von Friedrich Reinsch
Stand:
Michael Kiesewetter ist die Stimme von Schlaatz FM, dem jungen Internet-Radiosender aus Potsdams Plattenbaustadtteil an der Nuthe. Am Rande des Stadtteils, im Erdgeschoss eines Hochhauses am Falkenhorst, residiert der Sender, der nun seine ersten 100 Tage hinter sich hat.
Dort steht auch Kiesewetters Arbeitsplatz: ein Moderatorentisch mit Mikrofon, dazu das Mischpult und zwei Bildschirme. Auch ein Gerät für Telefongespräche über den Sender hat Kiesewetter immer in Reichweite. Wenn der Moderator von seinem Arbeitsplatz aus durch das große Fenster auf die Grünanlage, die Wege und den Plattenbau vor seinem Studio schaut, blickt er genau dorthin, wovon er berichtet – auf das Leben am Schlaatz. Kiesewetter vermeldet im Sender die Geschichten, die das Stadtteilleben so schreibt. Dabei helfen ihm die ehrenamtlichen Bürgerreporter, die mit ihren Aufnahmegeräten am Schlaatz auf „Stimmenfang“ gehen.
Kiesewetter berichtet aber vor allem auch über Veranstaltungen im Stadtteil und lässt die Akteure vor dem Mikrofon zu Wort kommen. Ein Studiogespräch, dazu noch live, das sei für so manch einen der von ihm Interviewten eine Herausforderung. In einer solchen Situation spricht Kiesewetter dem jeweiligen Studiogast Mut zu: „Es klappt ja – ich mach’s ja schon ein paar Tage länger“, sagt er den Menschen dann gelegentlich. Für Kiesewetter selbst als ehemaligem Moderator des Senders Freies Berlin sind Live-Interviews hingegen die reinste Freude: „Ein Gespräch im Studio live ist immer am schönsten“, erzählt Kiesewetter, der sich in seinem schwarz-gelb dekorierten Studio sichtlich wohlfühlt. In der Regel moderiere er außer an den Wochenenden täglich vier Stunden live. Die Wortbeiträge in der übrigen Sendezeit werden vorproduziert oder sind Wiederholungen. Die Musik im Programm sei „eine relativ wilde Mischung“, sagt Kiesewetter. Country, Oldies, Klassik, Multikulti, Volksmusik – für jeden sei etwas dabei.
Über die Resonanz in der Bevölkerung sei noch wenig bekannt, sagt Kiesewetter. Er hoffe, dass zu den derzeit etwa zehn ehrenamtlichen Bürgerreportern noch weitere hinzukommen. Schließlich sei es „in erster Linie Sinn des Senders, hier aus dem Stadtteil zu berichten“. Auch würde sich Kiesewetter freuen, wenn außer ihm ein weiterer Moderator im Sender zu hören wäre: „Vielleicht gibt es den einen oder anderen, der sich berufen fühlt“, sagt Kiesewetter.
Ein solcher Moderator müsste allerdings wohl ehrenamtlich arbeiten. Bezahlt werden derzeit nur Kiesewetter, der zugleich Programmmacher des Senders ist, und sein Kollege Mirko Burghardt, der sich um technische Details kümmert. Träger des Radiosenders ist der Verein „Soziale Stadt“.
Auf der Nachbarschaftskonferenz am Schlaatz wurde die Idee des Stadtteilradios einst geboren. Maßgeblich in die Tat umgesetzt hat sie Friedrich Reinsch. Bis zu seinem plötzlichen Tod am 17. Dezember war Reinsch Geschäftsführer des Vereins „Soziale Stadt“. Ohne das große Engagement von Reinsch würde es den Sender heute nicht geben, sagt Kiesewetter. Der Moderator zeigt sich bestürzt über den plötzlichen Tod seines Chefs: „Wir sind alle völlig geschockt.“
Holger Catenhusen
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